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Bundesrat/Bremen: Bürokratieentlastung und Steuerhinterziehung I

aus wistra 3/2025

Im Bundesrat wurde am 18.10.2024 das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BR-Drucks. 474/24) diskutiert. Für das Land Berlin wies die Justizsenatorin auf folgende steuerstrafrechtlich relevanten Punkte hin (Plenarprotokoll 1048):

„Gravierend finde ich bei dem vorliegenden Gesetzentwurf allerdings die Tatsache, dass wesentliche Belange der Strafverfolgung missachtet werden. Denn durch diese gesetzliche Änderung können Steuerstraftaten großen Ausmaßes nicht effektiv aufgeklärt und Steuerschulden nicht erkannt und beigetrieben werden. Wegen der praktischen Erfahrung mit den sogenannten Cum-ex-Ermittlungen wurde im Jahre 2020 die steuerstrafrechtliche Verjährungsfrist für Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung auf 15 Jahre hochgesetzt. Die Änderung war dem Umstand geschuldet, dass schwere Steuerstraftaten wegen ihrer hohen Komplexität erst Jahre nach ihrer Begehung entdeckt werden. Der Gesetzentwurf verkürzt nun erstaunlicherweise die Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege und Rechnungen auf acht Jahre. Das hat also zur Folge, dass noch vor Ablauf der steuerstrafrechtlichen Verjährungsfrist die Beweismittel für Anklage und Steuerrückforderungsbescheide mit Wissen und Wollen des Gesetzgebers vernichtet werden dürfen. Und wir alle wissen: ohne Belege keine Ermittlungen, keine Anklage und auch keine Steuerrückforderung. Dieser fehlende Gleichlauf zwischen Aufbewahrungsfristen auf der einen Seite und Verjährungsfristen auf der anderen Seite konterkariert alle Bemühungen einer effektiven Steuerfestsetzung und Strafverfolgung.

Diesen negativen Effekt der Neuregelung für Banken um ein Jahr aufzuschieben, stellt auch keine Lösung dar. Denn Fachleute befürchten, dass als Folge Steuerausfälle in Milliardenhöhe durch nicht mehr aufklärbare besonders schwere Steuerstraftaten drohen. Das betrifft in der Sache große Umsatzsteuerkarusselle, vor allem aber sogenannte Cum-ex- und Cum-cum-Geschäfte. Wir sprechen hier von hochkomplexer Steuermanipulation im Zusammenspiel von Banken und Investoren, bei denen die Investoren in rechtswidriger Weise Steuerrückerstattungen in Milliardenhöhe erlangt haben. Und gerade bei den Cum-cum-Fällen, die bislang kaum aufgeklärt wurden, wird das Gesetz faktisch zu einer Quasiamnestie führen, die den Staat nach aktuellen Schätzungen circa 28 Milliarden Euro kosten wird. Laut Bundesministerium der Finanzen ist bei den Cum-cum-Fällen bisher nur 1 Prozent der geschätzten Schadensumme zurückgefordert worden. Es existiert also noch ein gigantisches Dunkelfeld, dessen Aufklärung nun durch dieses Gesetz vereitelt werden wird.

Ich finde es höchst bedauerlich, dass die Bedenken der Länder, die auch auf diesen Punkt hingewiesen haben, weitestgehend ungehört geblieben sind. Umso unverständlicher ist dies, insofern einerseits diese Verkürzung angesichts der Möglichkeit einer digitalen Archivierung keine Entlastung bringt und andererseits der Gesetzentwurf selbst davon ausgeht, dass dadurch mit einem jährlichen Steuerausfall in Millionenhöhe zu rechnen ist. Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU hat richtigerweise darauf hingewiesen, dass die geplante Änderung aufgrund der strafrechtlichen Inkonsistenz de facto leerzulaufen droht.

Auch wenn die im Bürokratieentlastungsgesetz vorgesehenen Einzelmaßnahmen im Übrigen insgesamt positiv zu bewerten sind, kann dem Gesetz in dieser Form nur unter Zurückstellung ganz erheblicher Bedenken zugestimmt werden. Deshalb bitten wir als Land Berlin darum, eine Sonderregelung für Steuerpflichtige zu schaffen, die der Aufsicht der BaFin unterliegen. Hierdurch bliebe es bei der gewünschten Entlastung kleinerer Unternehmen auf der einen Seite, ohne allerdings auf der anderen Seite die Verfolgung schwerster Steuerstraftaten zu erschweren.“

In die gleiche Kerbe wurde für das Land Bremen geschlagen:

„Mit dem Vierten Bürokratieentlastungsgesetz laufen zukünftig die Verjährungsfrist für besonders schwere Steuerhinterziehung und die Aufbewahrungsfrist für Buchungsbelege für Unternehmen weiter auseinander. Dies kann die Ermittlung von Steuerstraftaten erheblich beeinträchtigen, gerade wenn es um komplexe und deswegen auch lang andauernde Straftaten geht. Ich begrüße daher ausdrücklich, dass die Koalitionsfraktionen im parlamentarischen Verfahren zumindest das Inkrafttreten der verkürzten Aufbewahrungsfristen für Finanzinstitutionen um ein Jahr verschoben haben. Das ist wichtig bei der weiteren Ermittlung und Verfolgung von Cum-ex-Verdachtsfällen. Das bedeutet jedoch auch ganz konkret, dass wir Länder zusammen mit dem Bundesfinanzministerium nun alle uns verfügbaren Kapazitäten ausschöpfen müssen. Wir sollten keine Zeit verstreichen lassen und die verbleibenden Möglichkeiten nutzen, schwere Steuerdelikte aufzuklären.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns weiterhin engagiert die Steuerkriminalität bekämpfen und hilfreiche Maßnahmen auf den Weg bringen, um die Handlungsfähigkeit des Staates zu stärken! Wenn wir heute an dieser Stelle die Aufklärungsmöglichkeit für Steuerstraftaten künftig im Rahmen einer Gesamtabwägung, die das ganze Paket nun einmal ist, verkürzen, dann müssen wir gleichzeitig an anderer Stelle schneller und wirkungsvoller werden. Ich habe die sehr deutliche Erwartung an den Bund, dass wir mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Vermögensverschleierung und dem Gesetz zur Bekämpfung der Finanzmarktkriminalität noch in diesem Jahr eine schlagkräftige und handlungsfähige Bundesbehörde für die Bekämpfung der Finanzkriminalität erhalten und damit auch die Schlagkraft der Länder erhöhen.“

Rechtsanwalt Prof. Dr. Carsten Wegner, Berlin


Verlag C.F. Müller

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