aus wistra 2/2025
Mit dem auf die vorgezogenen Parlamentswahlen vom 23.2.2025 folgenden Zusammentritt des neuen Bundestags wird die 20. Legislaturperiode enden (Art. 39 Abs. 1 S. 2 GG). Die letzten Plenarsitzungen der laufenden Legislaturperiode finden am 10./11.2.2025 statt. Es soll daher eine erste Bilanz der Legislaturperiode aus wirtschaftsstrafrechtlicher Sicht gezogen werden (zum Strafrecht im Koalitionsvertrag s. Möhrenschlager, wistra 2022, Register S. 33).
1. „Abdeckrechnungen“ und „Schwarzarbeit“
Der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung und Digitalisierung der Schwarzarbeitsbekämpfung (BT-Drucks. 20/13956; zum Referentenentwurf s. Busch, wistra 2024, Heft 12 R10) sollte u.a. das Herstellen und Inverkehrbringen von unrichtigen Belegen von einer Ordnungswidrigkeit (§ 8 Abs. 4, 5 SchwarzArbG) zu einer Straftat hochstufen, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat (Art. 1 Nr. 13; § 9 SchwarzArbG-E). Schein- und Abdeckrechnungen gefährdeten die Erhebung von Steuern und Sozialabgaben in besonderem Maße und ermöglichten vielfach erst Schwarzarbeit (RegE, S. 54). „Servicefirmen“ handelten mit Schein- oder Abdeckrechnungen im Millionenbereich und bedienten damit eine große Anzahl von Unternehmen (RegE, S. 85). Der Gesetzentwurf wurde vom Bundestag beraten, aber nicht angenommen und fällt somit der Diskontinuität anheim.
2. AußenwirtschaftsrechtDer Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes (BT-Drucks. 20/13958; s. dazu Busch, wistra 2024, Heft 12 R8) sollte die EU‑Richtlinie 2024/1226 („Sanktionsstrafrecht“) umsetzen. Das Vorhaben wurde vom Bundestag beraten, aber nicht angenommen, so dass es der Diskontinuität anheimfällt. Wesentliche Änderungen waren die Anpassung und Ergänzung der Straftatbestände des § 18 AWG einschließlich einer Strafbewehrung von Umgehungshandlungen und von Verstößen gegen Meldepflichten, die Schaffung eines besonders schweren Falls von Sanktionsverstößen und eines Straftatbestands der Einreiseermöglichung sowie die Anhebung der Verbandsgeldbuße (§ 30 OWiG) für einschlägige Straftaten auf bis zu 40 Mio. Euro.
Mit den Sanktionsdurchsetzungsgesetzen I und II waren bereits zuvor strukturelle Verbesserungen bei der Durchsetzung von EU-Sanktionen auf den Weg gebracht und eine Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung geschaffen worden, die Gelder und wirtschaftliche Ressourcen von gelisteten Personen ermittelt und sicherstellt (s. dazu Busch, wistra 2023, Register S. 35, wistra 2022, Register S. 53).
3. Barzahlungsverbote
Der Koalitionsvertrag sah vor, die illegale Finanzierung von Immobilien durch geeignete Maßnahmen zu bekämpfen, zu denen auch ein Barzahlungsverbot gehören sollte. Eine entsprechende Regelung hat das Sanktionsdurchsetzungsgesetz II mit §§ 16a, 59 Abs. 11 GwG geschaffen (s. dazu Busch, wistra 2023, Register S. 35). Bei Immobiliengeschäften (Asset- und Share Deals) sind Barzahlungen danach ebenso verboten wie Zahlungen mit Gold, Platin und Edelsteinen. Die Vertragsparteien haben nachzuweisen, dass die Zahlung mit anderen, zulässigen Mitteln erbracht wurde. Bleibt dieser Nachweis aus, so führt dies nicht zu einer Vollzugssperre, der Notar muss aber eine Verdachtsmeldung gegenüber der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) abgeben. Einen entsprechenden Meldetatbestand hat inzwischen die Verordnung zur Änderung der Geldwäschegesetzmeldepflichtverordnung-Immobilien geschaffen, die am 17.2.2025 in Kraft tritt (BGBl. 2025 I Nr. 13 vom 20.1.2025; zum Entwurf s. Busch wistra 2024, Heft 10 R8). Die EU hat darüber hinaus mit Art. 80 der Verordnung(EU) 2024/1624 ein Verbot von Barzahlungen über 10.000 € beschlossen, das am 10.7.2027 in Kraft treten wird. Güterhändler und Dienstleister dürfen ab diesem Zeitpunkt Barzahlungen nur noch i.H.v. maximal 10.000 € entgegennehmen (Art. 80 Abs. 1). Barzahlungen zwischen Privaten und Bareinzahlungen bei Banken bleiben erlaubt (Art. 80 Abs. 4). Allerdings müssen Banken über die Höchstgrenze hinausgehende Einzahlungen an die FIU melden (Art. 80 Abs. 4). Verstöße von Güterhändlern und Dienstleistern gegen das Barzahlungsverbot sind mit wirksamen Sanktionen zu ahnden (Art. 80 Abs. 5).
4. Cybercrime
Der Koalitionsvertrag sah vor, dass das „Identifizieren, Melden und Schließen von Sicherheitslücken in einem verantwortlichen Verfahren, z. B. in der IT‑Sicherheitsforschung, legal durchführbar sein“ soll. Das BMJ hatte dazu am 4.11.2024 seinen Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Modernisierung des Computerstrafrechts“ vorgelegt (s. dazu Busch, wistra 2025, Heft 1 R7). IT‑Fachleute, die aus lauteren Motiven Sicherheitslücken nachgehen, nutzten dabei ähnliche Methoden wie kriminelle Hacker und seien deshalb einem Strafbarkeitsrisiko ausgesetzt, das kontraproduktiv sei, weil es nicht nur von verbotenem, sondern auch von gesellschaftlich erwünschtem Verhalten abschrecke. Der Gesetzentwurf wollte durch einen Tatbestandsausschluss in den §§ 202a, 202b und § 303a StGB die bestehende Rechtsunsicherheit beseitigen und Konflikte zwischen IT‑Sicherheitsinteressen und Strafverfolgung lösen. Zu einem Regierungsentwurf ist es nicht gekommen.
5. Digitale Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung
Zu dem vom Bundestag angenommenen Regierungsentwurf eines Gesetzes zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung (s. dazu Busch, wistra 2024, Heft 4 R11) hatte der Bundesrat bereits im Dezember 2023 den Vermittlungsausschuss angerufen (BT-Drucks. 20/9878), ohne dass es inzwischen zu einer Einigung der beiden Kammern gekommen ist. Das Vorhaben wird daher der Diskontinuität anheimfallen. Der Entwurf sollte die gesetzlichen Grundlagen für die digitale Dokumentation der Hauptverhandlung vor LG und OLG schaffen. Dokumentiert werden sollte durch digitale Tonaufzeichnungen, die automatisiert in ein elektronisches Textdokument (Transkript) übertragen worden wären. Die Verfahrensbeteiligten hätten möglichst zeitnahen Zugriff auf die Dokumentation erhalten sollen.
6. „Finanzkriminalität“ und Geldwäsche
Um Geldwäsche effektiv zu bekämpfen, brauche es eine zwischen Bund, Ländern und EU abgestimmte Strategie, so der Koalitionsvertrag. Hierbei seien auch die Zuständigkeiten zu überprüfen. Mögliche Empfehlungen aus der FATF-Deutschlandprüfung werde man wo nötig zügig in deutsches Recht umsetzen.
Der Umsetzung von FATF-Empfehlungen sollte insbesondere der am 11.10.2023 beschlossene Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung von Finanzkriminalität dienen (s. dazu Busch, wistra 2023, Register S. 69), den der Bundestag in erster Lesung und im Finanzausschuss beraten (Bericht und Beschlussempfehlung auf BT-Drucks. 20/12037), jedoch nicht angenommen hat, so dass das Vorhaben der Diskontinuität anheimfällt. Unter den Begriff „Finanzkriminalität“ fielen nach dem Gesetzentwurf jedenfalls Geldwäsche und Sanktionsverstöße (Art. 1 RegE, § 2 BBF-Errichtungsgesetz-E).
Nach dem Regierungsentwurf hätte unter dem Dach eines zum 1.4.2024 neu zu errichtenden „Bundesamts zur Bekämpfung von Finanzkriminalität“ (BBF; Art. 1, 2 RegE) ein „Ermittlungszentrum Geldwäsche“ entstehen (Art. 3) und u.a. „polizeiliche Aufgaben auf dem Gebiet der Strafverfolgung in bedeutsamen Fällen der internationalen Geldwäsche mit Inlandsbezug wahrnehmen“ sollen (Art. 3 RegE, § 1 Gesetz über das Ermittlungszentrum Geldwäsche – GwEG-E). Tätigwerden sollte das „Ermittlungszentrum Geldwäsche“ auf Grundlage eines „Gesetzes zu Ermittlungen im Zusammenhang mit verdächtigen Vermögensgegenständen“ (Vermögensermittlungsgesetz). Einen Entwurf für dieses neue Stammgesetz hatte das BMF am 23.4.2024 als Teil seines Referentenentwurf eines Vermögensverschleierungsbekämpfungsgesetzes (VVBG) vorgelegt (s. dazu Busch, wistra 2024, Heft 5 R8). Dieses Mantelgesetz hätte am 1.1.2025 in Kraft treten sollen und enthielt neben dem neuen Vermögensermittlungsgesetz auch diverse Folgeänderungen. Zu einem Regierungsentwurf des VVBG ist es nicht gekommen.
Das BBF hätte zudem die Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung und die FIU aufnehmen sollen, die beide bisher bei der Generalzolldirektion angesiedelt sind, um „die Zusammenarbeit zwischen Strafverfolgung und Analyse nachhaltig zu verbessern“ (RegE, S. 3). Außerdem hätten beim BBF ein „Kompetenzzentrum Aus- und Fortbildung“ (RegE, S. 3, 115) und eine „Zentralstelle für Geldwäscheaufsicht“ (Art. 1, § 2 I 1 Nr. 2 BBF-Errichtungsgesetz-E) entstehen sollen. Gleichzeitig wollte die Bundesregierung beim Bundeskriminalamt eine „Organisationsstruktur Geldwäsche, Wirtschafts- und Finanzkriminalität“ einrichten und dabei für einen nachhaltigen Ressourcenaufbau sorgen. Außerdem sollte der Gesetzentwurf durch GwG-Änderungen (Art. 18) die Zusammenarbeit mit der FIU verbessern, die Qualität des Transparenzregisters erhöhen und ein Immobilientransaktionsregister schaffen.
Das BMF hatte außerdem am 18.4.2024 den Referentenentwurf einer Verordnung zur geldwäscherechtlichen Identifizierung durch Videoidentifizierung vorgelegt. Die Regelung sollte allen Verpflichteten die Nutzung des Videoidentifizierungsvefahrens ermöglichen, das bislang der Finanzbranche vorbehalten ist. Eine Experimentierklausel sollte den Einsatz vollautomatisierter Verfahren erlauben. Zum Erlass der Verordnung ist es nicht gekommen.
In Kraft getreten ist dagegen am 18.11.2023 das Gesetz zur Stärkung der risikobasierten Arbeitsweise der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (s. dazu Busch, wistra 2023, Register S. 73). Nach der Neuregelung haben sich Art und Umfang der FIU-Analysen am Risiko der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung zu orientieren (§ 30 Abs. 2 S. 2 GwG). Die FIU kann dafür automatisierte Anwendungen zur Datenanalyse (Risikobewertungssysteme) einsetzen (§ 30 Abs. 2 S. 3 GwG). Die Analyse-Parameter soll die FIU im Benehmen u.a. mit den Strafverfolgungsbehörden festlegen (§ 30 Abs. 2 S. 7 GwG). Für sonstige Straftaten gilt, dass die FIU entsprechende Parameter bei ihrer Analyse berücksichtigen kann, aber nicht muss (§ 30 Abs. 2 S. 8 GwG).
Erfolgreich war die Bundesregierung mit ihrer im Koalitionsvertrag vorgesehenen Bewerbung um den Sitz der neuen EU-Geldwäschebekämpfungsbehörde (EU-Authority for Anti-Money Laundering – AMLA). Die neue Behörde kommt nach Frankfurt/Main, das sich gegen Brüssel, Dublin, Madrid, Paris, Rom, Riga, Vilnius und Wien durchsetzen konnte.
Die Umsetzung bzw. Ausführung des EU-Geldwäschepakets wird im Übrigen in der kommenden Legislaturperiode anzugehen sein.
Zur Geldwäschegesetzmeldepflichtverordnung-Immobilien s. oben bei 3.
7. Hinweisgeberschutz
Nach dem Koalitionsvertrag sollte die „EU-Whistleblower-Richtlinie rechtssicher und praktikabel“ umgesetzt werden. Das ist mit dem „Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“, geschehen, das nach einem Vermittlungsverfahren am 3.6.2023 in Kraft getreten ist (BGBl. I 2023, Nr. 140, S. 1; s. dazu Busch, wistra 2023, Register S. 52). Das darin geschaffene neue Hinweisgeberschutzgesetz ist am 2.7.2023 in Kraft getreten und verlangt, dass Unternehmen und Behörden Meldestellen einrichten und mit kompetentem und bei seiner Tätigkeit unabhängigem Personal besetzen. Wer seinen Hinweis an eine externe Stelle richten möchte, kann das nunmehr bei einer zentralen Anlaufstelle tun, die dafür beim Bundesamt für Justiz als „one-stop-shop“ geschaffen worden ist. Die nähere Ausgestaltung von Organisation und Verfahren dieser Meldestelle regelt die „Hinweisgeberschutzgesetz-Externe-Meldestelle-des-Bundes-Verordnung“, die am 11.8.2023 in Kraft getreten ist (BGBl. I 2023, Nr. 211; s. dazu Busch, wistra 2023, Register S. 65).
Weil die zugrunde liegende Richtlinie bereits bis zum 17.12.2021 hätte umgesetzt werden müssen, hat die Kommission gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, das weiter beim EuGH anhängig ist.
8. Korruption
Der Koalitionsvertrag sah vor, dass der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung und -bestechlichkeit wirksamer ausgestaltet werden soll. Dazu ist am 18.6.2024 das „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit der unzulässigen Interessenwahrnehmung“ in Kraft getreten (BGBl. 2024 I Nr. 190; s. dazu Busch, wistra 2024, Heft 6 R9). Auslöser für das von den Koalitionsfraktionen eingebrachte Vorhaben war insbesondere die Straflosigkeit der „Maskenfälle“, bei denen Mandatsträger des Bundes und der Länder Geschäfte über den Verkauf von Corona-Schutzmasken mit Bundes- bzw. Landesbehörden vermittelt und dafür beträchtliche Provisionen erhalten hatten.
Mit dem neuen § 108f StGB hat der Gesetzgeber nunmehr einen Straftatbestand der unzulässigen Interessenwahrnehmung geschaffen, der die entgeltliche Wahrnehmung von Drittinteressen durch Mandatsträger auch dann unter Strafe stellt, wenn die Unrechtsvereinbarung (wie in den Maskenfällen) auf eine Interessenwahrnehmung außerhalb des Mandats abzielt.
Die Beratungen über den von der Kommission vorgelegten Vorschlag für eine EU‑Richtlinie zur Bekämpfung der Korruption dauern indes an. Nachdem der Rat im Juni 2024 seine Position festgelegt hat (s. dazu Busch, wistra 2024, Heft 7 R9), beginnen nunmehr die Trilogverhandlungen zwischen Rat, EP und Kommission.
9. Modernisierung des Strafgesetzbuches
Der Koalitionsvertrag hatte unterstrichen, dass „das Strafrecht immer nur Ultima Ratio“ sei und die Koalition ihre „Kriminalpolitik an Evidenz und der Evaluation bisheriger Gesetzgebung im Austausch mit Wissenschaft und Praxis“ orientiere. Daher solle das Strafrecht systematisch auf Handhabbarkeit, Berechtigung und Wertungswidersprüche überprüft und ein Fokus auf historisch überholte Straftatbestände, die Modernisierung des Strafrechts und die schnelle Entlastung der Justiz gelegt werden. Das BMJ hatte hierzu im November 2023 Eckpunkte veröffentlicht, aus denen aus wirtschaftsstrafrechtlicher Sicht hervorzuheben sind die Bereinigung des Tatbestands des Missbrauchs von Scheck- und Kreditkarten (§ 266b StGB) sowie die Aufhebung der Straftatbestände des Unerlaubten Glücksspiels (§§ 284, 285, 286; kritisch dazu Kümmel, wistra 2024, 276) und des Unbefugten Gebrauchs von Pfandsachen (§ 290 StGB). Auch die Modernisierung des Computerstrafrechts (s. oben 4.) führt das Eckpunktepapier auf. Zu einem Gesetzentwurf ist es nicht gekommen.
10. Sanktionensystem
„Das Sanktionensystem einschließlich Ersatzfreiheitsstrafen, Maßregelvollzug und Bewährungsauflagen überarbeiten wir mit dem Ziel von Prävention und Resozialisierung“, so der Koalitionsvertrag. Das entsprechende „Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt“ ist am 1.10.2023 in Kraft getreten (s. dazu Busch, wistra 2023, Register S. 61). Die Neuregelung änderte u.a. den früheren Eins-zu-Eins-Maßstab für die Umrechnung von Geldstrafe in Ersatzfreiheitstrafe (§ 43 StGB): Statt einem Tagessatz entsprechen jetzt zwei Tagessätze einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe. Dadurch halbiert sich die Anzahl der Tage der an die Stelle der Geldstrafe tretenden Ersatzfreiheitsstrafe und damit zugleich die Anzahl der ggf. zur Abwendung der Ersatzfreiheitsstrafe zu leistenden Arbeitsstunden.
11. Steuerhinterziehung
Nach dem Koalitionsvertrag ist es „eine Frage der Gerechtigkeit und der Fairness, Steuerhinterziehung und aggressive Steuergestaltungen mit größtmöglicher Konsequenz zu verfolgen und zu unterbinden“. Die Bundesregierung hatte dazu in einer Gegenäußerung zu einem Gesetzentwurf des Bundesrats angekündigt, bis Ende des Jahres 2022 einen Gesetzentwurf vorzulegen, „der die im Koalitionsvertrag zur stärkeren Bekämpfung der organisierten Steuerkriminalität vorgesehenen Aspekte ... beinhalten, Informationsmöglichkeiten verbessern und Ermittlungsbehörden stärken wird“ (BT-Drucks. 20/1518, 11; s. dazu Busch, wistra 2022, Register S. 57). Dazu ist es nicht gekommen.
12. Unternehmenssanktionen
Nach dem Koalitionsvertrag sollten die Vorschriften der Unternehmenssanktionen einschließlich der Sanktionshöhe überarbeitet werden, um die Rechtssicherheit von Unternehmen im Hinblick auf Compliance-Pflichten zu verbessern und für interne Untersuchungen einen präzisen Rechtsrahmen zu schaffen. Auch die JuMiKo ist der Auffassung, dass das geltende Recht für die Bekämpfung von Unternehmenskriminalität nicht in jeder Hinsicht ausreichend sei, und erkennt im Grundsatz einen Bedarf für die Ausweitung der Sanktionsmöglichkeiten. In einem Beschluss vom 25./26.5.2023 bat sie den damaligen Bundesjustizminister, einen Gesetzentwurf vorzulegen.
Zudem verlangt das EU-Recht gewisse Änderungen. Nach der EU‑Richtlinie 2024/1203 („Umweltstrafrecht“; s. dazu Busch, wistra 2024, Heft 1 R8; Pfohl, ZWH 2025, 1) müssen die Mitgliedstaaten für die darin geregelten Straftatbestände eine maximale Verbandsgeldbuße von wahlweise mindestens 24 bzw. 40 Millionen oder 3 bzw. 5 % des Umsatzes vorsehen. Die Richtlinie ist bis zum 21.5.2026 umzusetzen (zu der diesem Modell folgenden Vorgabe in der EU‑Richtlinie Sanktionsstrafrecht s. oben bei 2. sowie Busch, wistra 2024, Heft 12 R8).
Die OECD hatte Deutschland bereits 2018 eine Reform der Verantwortlichkeit juristischer Personen für Auslandsbestechungsfälle empfohlen (s. dazu Burkhart/Busch, wistra 2022, 189).
13. Vermögensabschöpfung
Nach dem Koalitionsvertrag sollte insbesondere durch die „Nutzung strafrechtlicher Möglichkeiten u.a. bei der Vermögensabschöpfung“ die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität zu einem Schwerpunkt der Sicherheitsbehörden gemacht werden.
Die Richtlinie (EU) 2024/1260 vom 24.4.2024 über die Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten ist bis zum 23.11.2026 umzusetzen. In der zu Ende gehenden Legislaturperiode wurde dazu kein Gesetzentwurf vorgelegt. Das gilt auch für die von der JuMiKo im Juni 2024 erbetene Umsetzung der umfangreichen Empfehlungen ihrer Arbeitsgruppe zur „Optimierung der Vermögensabschöpfung“ (s. dazu Busch, wistra 2024, Heft 11 R8; s. auch die Umsetzungsvorschläge der FDP-Fraktion auf BT-Drucks. 20/14258, S. 9, 38, sowie der Unionsfraktion auf BT-Drucks. 20/14014).
Bereits im November 2023 hatte die JuMiKo gebeten, eine verfassungsgemäße Erweiterung der Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten bei anderen (74a StGB) ... zu prüfen (s. dazu Busch, wistra 2023 Register S. 73). Die Begründung führt an, dass nach geltendem Recht Autos, die von OK-Mitgliedern nur angemietet worden seien, häufig nicht eingezogen werden könnten. Im November 2024 bat die JuMiKo ihre Arbeitsgruppe, sich mit einer weiteren Abschöpfungslücke zu befassen, bei der Autos ebenfalls eine Rolle spielen (s. dazu Busch, wistra 2025, Heft 1 R10). Mit Videos und Livestreams von Straftaten wie z.B. illegalen Autorennen könnten Tatbeteiligte auf Internetplattformen erhebliche Einnahmen erlangen, die nach geltendem Recht nicht einziehbar seien. Die Arbeitsgruppe solle dazu ggf. einen Gesetzentwurf vorlegen.
Zum Vermögensverschleierungsbekämpfungsgesetz s. oben bei 6.
14. Verpflichtungsgesetz
Die Bundesregierung hatte am 6.11.2024 den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Verpflichtungsgesetzes und zur Änderung des EUStAG veröffentlicht (BT-Drucks. 20/14503; zum RefE s. Busch, wistra 2024, Heft 9 R8). Nach der Neuregelung soll eine Verpflichtung nichtbeamteter Personen künftig auch im Wege der Videokommunikation möglich sein. Weiter soll die erforderliche Niederschrift über die Verpflichtung zukünftig auch als elektronisches Dokument aufgenommen werden können. Der Entwurf wurde vom Bundestag nicht beraten und fällt der Diskontinuität anheim.
15. Weisungsrecht
Der Koalitionsvertrag sah vor, entsprechend den Anforderungen des EuGH das externe ministerielle Einzelfallweisungsrecht gegenüber den Staatsanwaltschaften anzupassen. Das BMJ hatte dazu am 30.4.2024 den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Erhöhung der Transparenz von Weisungen gegenüber der Staatsanwaltschaft vorgelegt (s. dazu Busch, wistra 2024, Heft 8 R8). Der Gesetzentwurf sollte durch eine Änderung von § 146 GVG die schon geltenden engen rechtlichen Grenzen des Weisungsrechts „ausdrücklich normieren und klarstellen“ (RefE, S. 1). Außerdem sah er Schriftlichkeits- und Begründungserfordernisse für ministerielle Weisungen vor, um so für mehr Transparenz zu sorgen. Zu einem Regierungsentwurf ist es nicht gekommen.
Oberstaatsanwalt beim BGH (Referatsleiter im BMJ) Markus Busch LL.M. (Columbia University), Berlin
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