aus wistra 1/2025
Nachdem der JuMiKo bei ihrer diesjährigen Frühjahrskonferenz ein umfangreicher Bericht zur „Optimierung der Vermögensabschöpfung“ vorgelegen hatte (s. dazu Busch, wistra 2024, Heft 11, R8), stand bei der folgenden Herbstkonferenz bereits die nächste Abschöpfungslücke auf der Agenda. Die Tagung beschäftigte sich mit dem „Phänomen der öffentlichen Zurschaustellung von Straftaten durch Tatbeteiligte mit dem Ziel, hierdurch nicht unerhebliche Einnahmen zu generieren“. Die Einnahmen erhielten die Täter dabei in der Regel von den Plattformen, auf denen die Videos veröffentlicht würden, entweder „pro Klick“ oder aufgrund der steigenden Anzahl der „Follower“. In ihrem Beschluss stellt die JuMiKo fest, dass nach derzeitiger Rechtslage eine Abschöpfung der durch eine solche Zurschaustellung von Straftaten auf Internetplattformen generierten Einnahmen nicht möglich erscheine. Diese Lücke gelte es zu schließen. An die „Bund-Länder-Arbeitsgruppe des Strafrechtsausschusses zur Optimierung des Rechts der Vermögensabschöpfung“ richtet die JuMiKo die Bitte, unter Erweiterung des bisherigen Auftrages, sich auch dieser Thematik anzunehmen und gegebenenfalls einen Regelungsvorschlag zu unterbreiten.
In der Sache dürfte es um Videomitschnitte bzw. Livestreams von Straftaten wie insbesondere Verbotene Kraftfahrzeugrennen (§ 315d StGB) oder Missbrauch von Notrufen (§ 145 StGB) gehen. Man könnte daran denken, solche Videoaufnahmen bzw. Echtzeitübertragungen selbst als das durch die Tat Erlangte anzusehen. Die Einnahmen aus der Veröffentlichung wären dann aus dem Erlangten gezogene Nutzungen und könnten abgeschöpft werden (§ 73 Abs. 2 StGB). Inwieweit die „Klicks“ auf und damit die Einnahmen aus Internetplattformen gerade auf die darin wiedergegebenen Straftaten zurückgehen, dürfte sich in der Praxis nur schwer feststellen lassen. Dagegen spricht allerdings, dass eine Videoaufnahme bzw. Echtzeitübertragung dem Täter nicht so sehr durch die Tatbestandsverwirklichung zufließen, sondern sie erst durch weitere Handlungen wie die Aufzeichnung bzw. Übertragung des Tatgeschehens entstehen, so dass der Täter sie nicht durch, sondern eher bei „Gelegenheit der Tat“ erlangt. Die „Zurschaustellung“ von Straftaten selbst ist (von wenigen Ausnahmen wie etwa der Gewaltdarstellung nach § 131 StGB abgesehen) nicht strafbar und kann daher für sich keine Einziehung begründen. Neben Videos und Streams auf Online-Plattformen sind noch weitere Formen profitabler Wiedergaben denkbar, so etwa literarische Darstellungen wie etwa „Die Kinder vom Bahnhof Zoo“, in denen ebenfalls „echte“ Straftaten geschildert werden und die hohe Erlöse erzielen können.
Wird durch eine Straftat jemand verletzt und steht ihm ein Schadenersatzanspruch zu, so gewährt das Opferanspruchssicherungsgesetz (OASG) dem Verletzten ein gesetzliches Pfandrecht an Forderungen, die der Täter aus der Verwertung/Vermarktung der Straftat gegen einen Dritten erlangt hat (§ 1 Abs. 1, 3 OASG). Anlass für diese im Jahr 1998 geschaffene Regelung war, dass „Straftäter ihre Handlungen über Presse, Rundfunk und Fernsehen oder durch eigene schriftstellerische Tätigkeit gewinnbringend vermarkten“ und dabei „eine unzuträgliche Situation entsteht“, wenn der Täter aus der öffentlichen Darstellung seiner Tat beträchtliche Vergütungen erhält, das geschädigte Opfer seine berechtigten Schadensersatzansprüche jedoch nicht verwirklichen könne (BT-Drucks. 13/6831, 5). Der Opferverband Anuas fordert derweil zugunsten von Verletzten eine Krimi-Steuer auf die Millionenerlöse der Verlage aus True-Crime-Publikationen (Spiegel-Online vom 16.9.2024).
Oberstaatsanwalt beim BGH (Referatsleiter im BMJ) Markus Busch LL.M. (Columbia University), Berlin
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