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Baden-Württemberg: Steuerstrafrecht

aus wistra 10/2024

Das Justizministerium des Landes Baden-Württemberg hat auf eine parlamentarische Anfrage zum Steuerstrafrecht reagiert (Drs. 17/6772). U.a. wird ausgeführt, dass gem. § 386 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 AO beim Verdacht einer Steuerstraftat die Finanzbehörde das Ermittlungsverfahren grundsätzlich selbstständig durchführt, wenn die Tat ausschließlich eine Steuerstraftat darstellt oder zugleich andere Strafgesetze verletzt und deren Verletzung Kirchensteuern oder andere öffentlich-rechtliche Abgaben betrifft, die an Besteuerungsgrundlagen, Steuermessbeträge oder Steuerbeträge anknüpfen (§ 386 Abs. 2 AO). Dies gilt nicht, sobald gegen einen Beschuldigten wegen der Tat ein Haftbefehl oder ein Unterbringungsbefehl erlassen ist (§ 386 Abs. 3 AO); in diesen Fällen wird das Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft geführt. Auch darüber hinaus kann die Finanzbehörde die Strafsache jederzeit an die Staatsanwaltschaft abgeben und die Staatsanwaltschaft die Strafsache jederzeit an sich ziehen (§ 386 Abs. 4 AO). Insbesondere bei Fällen, die aufgrund ihrer Größe oder aus anderen Gründen von besonderer Bedeutung sind, hat das Finanzamt – so führt das Ministerium weiter aus – die Staatsanwaltschaft unverzüglich zu verständigen, um die weitere Bearbeitung, namentlich eine Abgabe der Strafsache an die Staatsanwaltschaft, zu klären (Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren [Steuer] – AStBV [St] 2023/2024 Nr. 22).

Führt die Finanzbehörde ein Ermittlungsverfahren selbstständig durch, hat sie dieselben Rechte und Pflichten, die sonst der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren zustehen (§ 399 Abs. 1 AO). Auch im selbstständigen Verfahren sei sie allerdings nicht völlig unabhängig von der Staatsanwaltschaft, da diese vor allem das Anklagemonopol behält (§ 400 AO).

In Baden-Württemberg seien grundsätzlich alle Staatsanwaltschaften für die Verfolgung von Steuerstraftaten zuständig. Die örtliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft bestimme sich nach der örtlichen Zuständigkeit des Gerichts, bei dem die Staatsanwaltschaft besteht (vgl. § 143 Abs. 1 GVG). Für die Bearbeitung von Ermittlungsverfahren wegen Straftaten, für die als erkennendes Gericht des ersten Rechtszuges gem. § 74c Abs. 1 GVG eine Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer zuständig ist, seien die Staatsanwaltschaft Mannheim für den Oberlandesbezirk Karlsruhe und die Staatsanwaltschaft Stuttgart für den Oberlandesbezirk Stuttgart als Schwerpunktstaatsanwaltschaften zuständig (Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums über die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Bearbeitung von Wirtschaftsstrafsachen vom 7.3.2012 – Die Justiz 2012, S. 261 – in der Fassung vom 17.1.2019 – Die Justiz 2019, S. 42).

Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Cum/Ex- oder Cum/Cum-Geschäften werden auskunftsgemäß statistisch nicht gesondert erfasst. Eine Praxisumfrage bei allen Staatsanwaltschaften in Baden-Württemberg habe ergeben, dass bislang nur zwei Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Cum/Ex-Geschäften bei der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Stuttgart anhängig waren. Die Verfahren seien in den Jahren 2013 bzw. 2020 eingeleitet und zwischenzeitlich verbunden worden sowie nach wie vor anhängig. Im Zusammenhang mit Cum/Cum-Geschäften sei nur ein Ermittlungsverfahren bei der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Mannheim anhängig (seit 2022). Darüber hinaus gingen insgesamt acht Anzeigen im Zusammenhang mit Cum/Cum-Geschäften bei den Staatsanwaltschaften Ravensburg (eine Anzeige im Jahr 2020) und Stuttgart (eine Anzeige im Jahr 2016 sowie je drei Anzeigen in den Jahren 2021 und 2022) ein. In allen Fällen sei mangels zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für verfolgbare Straftaten gem. § 152 Abs. 2 StPO von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen worden.

Rechtsanwalt Prof. Dr. Cnarsten Wegner, Berlin


Verlag C.F. Müller

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