Logo C.F. Müller
Modernisierung des Verpflichtungsgesetzes

aus wistra 9/2024

Das Bundesministerium der Justiz hat am 19.7.2024 seinen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Verpflichtungsgesetzes (VerpflG) und zur Änderung des Europäische-Staatsanwaltschaft-Gesetzes veröffentlicht und Gelegenheit zur Stellungnahme bis 6.9.2024 gegeben.

Nach der Neuregelung soll eine Verpflichtung (nichtbeamteter Personen) künftig nicht nur mündlich in Anwesenheit der zu verpflichtenden Person in der zuständigen Stelle vorgenommen werden können, sondern alternativ auch im Wege der Videokommunikation zwischen der zuständigen Stelle und der zu verpflichtenden Person (RefE, S. 2, 6). Verpflichtungen würden durch dieses Angebot eines schnelleren und weniger aufwendigen digitalen Verfahrens unter Verzicht auf einen Präsenztermin erleichtert (RefE, S. 6). Weiter soll die erforderliche Niederschrift über die Verpflichtung zukünftig auch als elektronisches Dokument aufgenommen werden können. Die Neuregelungen sollen am Tag nach der Verkündung in Kraft treten (Art. 3) und betreffen nur das „Wie“ der Verpflichtung (§ 1 Abs. 2, 3 VerpflG-E). Ob zu verpflichten ist und wer dafür zuständig ist, richtet sich weiter nach § 1 Abs. 1, 4 VerpflG, der nicht geändert werden soll. Die Änderungen des Europäische-Staatsanwaltschaft-Gesetzes (Art. 2) hängen nicht mit der Neuregelung des Verpflichtungsgesetzes zusammen.

Nach dem Gesetzentwurf soll § 1 Abs. 2, 3 VerpflG folgende Fassung erhalten:

„(2) Die Verpflichtung wird mündlich in Anwesenheit der zu verpflichtenden Person vorgenommen. Sie kann auch im Wege der zeitgleichen Bild- und Tonübertragung vorgenommen werden. Bei der Verpflichtung ist auf die strafrechtlichen Folgen einer Pflichtverletzung hinzuweisen.

(3) Über die Verpflichtung wird eine Niederschrift aufgenommen, die die verpflichtete Person mitunterzeichnet und von der ihr eine Abschrift überlassen wird. Wird die Verpflichtung im Wege der zeitgleichen Bild- und Tonübertragung vorgenommen, ist dies in der Niederschrift zu vermerken. Die Niederschrift kann auch als elektronisches Dokument aufgenommen werden. Die elektronische Niederschrift muss von der verpflichteten Person entweder mit ihrer qualifizierten elektronischen Signatur versehen oder auf einem zur elektronischen Erfassung der Unterschrift geeigneten Hilfsmittel unterzeichnet werden. Die zuständige Stelle hat die elektronische Niederschrift mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen. Wird bei einer Verpflichtung im Wege der zeitgleichen Bild- und Tonübertragung die Niederschrift in Papierform aufgenommen, hat die zuständige Stelle der verpflichteten Person eine unterzeichnete Abschrift der Niederschrift zu übermitteln, die die verpflichtete Person unverzüglich unterzeichnet und an die zuständige Stelle zurücksendet. Von der Überlassung oder Übermittlung einer Abschrift der Niederschrift kann abgesehen werden, wenn dies im Interesse der inneren oder äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland geboten ist.“

1. Geltende Regelung

Das Verpflichtungsgesetz ist vor knapp 50 Jahren (am 1.1.1975) in Kraft getreten und gilt seither unverändert. Es regelt, wer „auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten“ zu verpflichten ist (§ 1 Abs. 1), wie die Verpflichtung abläuft (§ 1 Abs. 2, 3) und wer dafür zuständig ist (§ 1 Abs. 4; s. auch das BMI-Rundschreiben vom 25.10.1974 zur Durchführung des Verpflichtungsgesetzes [GMBl. 1974, 537]). Das Verpflichtungsgesetz schafft für die Vornahme der Verpflichtung eine gesetzliche Grundlage, wie sie nach der StGB-Definition des „für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten“ (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB) erforderlich ist. Die so Verpflichteten werden in einer Reihe von Sonderdelikten zusätzlich zu den Amtsträgern erfasst und können sich damit z.B. wegen Vorteilsannahme und Bestechlichkeit (§§ 331, 332 StGB) sowie Geheimnisverratsdelikten (§ 97 Abs. 2 S. 2, § 335b StGB) strafbar machen.

Die Regelungen des Verpflichtungsgesetzes sind für Personen gedacht, die für eine öffentliche Stelle tätig sind, selbst aber keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen (§ 1 Abs. 2 Nr. 1, 2 VerpflG) und daher nicht unter den Amtsträgerbegriff nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB fallen. Das Verpflichtungsgesetz dürfte erhebliche praktische Bedeutung haben, weil zu diesem Personenkreis nicht nur bei Behörden tätige Boten, Hausmeister, Schreibkräfte und Kraftfahrer gehören, sondern auch für Behörden tätige Angestellte von Dienstleistern wie etwa Beratungsunternehmen (vgl. Nr. 12.2. der Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung vom 30.7.2004 [Bundesanzeiger Nr. 148, S. 17745]) sowie Vertrauenspersonen von Nachrichtendiensten und Polizei (s. BGH v. 21.7.1994 – 1 StR 83/94, v. 28.11.1979 – 3 StR 405/79); öffentlich bestellte Sachverständige sind ebenfalls zu verpflichten (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 VerpflG), gehören allerdings nicht zum Personenkreis des § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB (s. dazu Matkey / Urban, DS [Die Sachverständigen] 2007, 18). Außerdem sehen zahlreiche Fachgesetze vor, dass Personen, die keine Amtsträger sind, besonders zur Geheimhaltung zu verpflichten sind, und verweisen dafür auf das Verfahren nach dem Verpflichtungsgesetz (s. z.B. für hospitierende ausländische Richter § 193 Abs. 3, 4 GVG, für Akteneinsicht nehmende Wissenschaftler § 476 Abs. 3 StPO, § 42a Abs. 2 BZRG). Aus diesen Geheimhaltungsverpflichtungen können sich ebenfalls Strafbarkeiten ergeben (§ 193 Abs. 4 GVG, § 203 Abs. 2 S. 1 Nr. 6, §§ 204 f. StGB). Allein im Bundesrecht finden sich aktuell in 70 Gesetzen Verweise auf das Verpflichtungsgesetz.

Die geltende Regelung verlangt eine „mündliche“ Verpflichtung (§ 1 Abs. 2 VerpflG), was die Anwesenheit der zu verpflichtenden Person bei der für die Verpflichtung zuständigen Stelle nahelegt (RefE, S. 6). Es ist auf die strafrechtlichen Folgen von Pflichtverletzungen hinzuweisen (§ 1 Abs. 2 VerpflG) und über die Verpflichtung eine Niederschrift aufzunehmen, die der Verpflichtete mitunterzeichnet (§ 1 Abs. 3 S. 1 VerpflG). Auf die in der Vorgängerregelung (sog. „Bestechungsverordnung“ von 1943 [RGBl. I, 351]) noch vorgesehene Besiegelung der Verpflichtung durch Handschlag hatte der Gesetzgeber 1974 verzichtet (BT-Drucks. 7/550, 365). Formfehler können die Verpflichtung als Verwaltungsakt unwirksam machen. Nach einer Entscheidung des BGH ist die Verpflichtung jedenfalls dann unwirksam, wenn sämtliche Formerfordernisse des Verpflichtungsgesetzes (Verpflichtung gerade auf die gewissenhafte Erfüllung der Obliegenheiten, Hinweis auf die strafrechtlichen Folgen, Aushändigung der Niederschrift) missachtet werden (BGH v. 28.11.1979 – 3 StR 405/79). Dies sei zur Wahrung der Rechtssicherheit und zum Schutz der Verpflichteten erforderlich, die zahlreichen Sonderbestimmungen des Strafrechts ausgesetzt seien (BGH, a.a.O.). Die Verpflichtung gerade auf die gewissenhafte Erfüllung der Obliegenheiten und der Hinweis auf die strafrechtlichen Folgen seien wesentlicher Inhalt der förmlichen Verpflichtung. Dagegen seien die Niederschrift und deren Aushändigung nach dem Willen des Gesetzgebers zwar keine Voraussetzung für die sofortige Wirksamkeit der Verpflichtung, so dass die Niederschrift auch nachträglich angefertigt und ausgehändigt werden könne. Dass sie als Wirksamkeitsvoraussetzungen außer Betracht zu bleiben haben, gelte aber nicht uneingeschränkt (BGH, a.a.O.; s. dazu Petri, NStZ 1991, 471).

2. Zulassung der Verpflichtung per Videokommunikation

Der neue § 1 Abs. 2 S. 1 VerpflG-E sieht weiterhin eine „mündliche Verpflichtung“ vor und soll festschreiben, dass diese Verpflichtung „in Anwesenheit der zu verpflichtenden Person“ vorzunehmen ist. Nach der Gesetzesbegründung bietet eine mündliche Verpflichtung in persönlicher Anwesenheit nach wie vor die sicherste Gewähr dafür, dass der zu verpflichtenden Person Bedeutung und Tragweite der Verpflichtung hinreichend vor Augen geführt werden könnten (RefE, S. 9).

Der neue § 1 Abs. 2 S. 2 VerpflG-E soll als Alternative zur Präsenzverpflichtung eine zeitgleiche Ton- und Bildübertragung zulassen. Dies sei eine geeignete digitale Alternative, da bei der Echtzeit-Videokommunikation die Zwecke der individuellen Ansprache und hinreichenden Warnung der zu verpflichtenden Person in einer Weise erreicht werden könnten, die der mündlichen Verpflichtung in persönlicher Anwesenheit nahezu gleichkomme (RefE, S. 10). In jüngerer Zeit sei von Seiten der behördlichen Praxis ein Bedürfnis nach einer ausdrücklichen Öffnung des Verfahrens für Bild-Ton-Übertragungen geltend gemacht worden (RefE, S. 1, 6), die vor allem dann interessant sein dürfte, wenn die zu Verpflichtenden ihre Tätigkeit nicht ohnehin vor Ort in einer Behörde ausüben, sondern als Externe temporär die Behörde ortsfern unterstützen. Auch im Falle von Kontaktbeschränkungen wie bei der Corona-Pandemie könnte auf die Regelung zurückgegriffen werden.

Die Wahl zwischen den beiden Verpflichtungsformen stehe im Ermessen der zuständigen Behörde (RefE, S. 10), die dabei Vor- und Nachteile der Verpflichtung mittels Videokommunikation abzuwägen habe. Voraussetzung für eine Verpflichtung per Videokommunikation seien eine verlässliche Feststellung der Identität des zu Verpflichtenden und ein störungsfreier Ablauf des Verfahrens (RefE, S. 9, 10). Auch bei einer Verpflichtung per Videokommunikation solle durch eine individuelle persönliche Ansprache verpflichtet und von einer gruppenweisen Verpflichtung abgesehen werden (RefE, S. 10). Wenn Personen verpflichtet werden, die die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrschten, sei sowohl bei der Präsenzverpflichtung als auch bei der Verpflichtung per Videokommunikation durch eine Verdolmetschung sicherzustellen, dass sie die Bedeutung der Verpflichtung sowie den Hinweis auf die strafrechtlichen Folgen einer Pflichtverletzung verstünden (RefE, S. 10).

Auch in Zukunft ist auf die strafrechtlichen Folgen von Pflichtverletzungen hinzuweisen. Zusammen mit der Verpflichtung gerade auf die gewissenhafte Erfüllung der Obliegenheiten fungiere dieser Hinweis weiterhin als Kernelement und Wirksamkeitsvoraussetzung der förmlichen Verpflichtung (RefE, S. 10 unter Bezugnahme auf BGH v. 28.11.1979 – 3 StR 405/79; s. dazu oben unter 1.).

3. Elektronische Niederschrift

Wie bisher ist über die Verpflichtung eine Niederschrift aufzunehmen. Die verpflichtete Person muss sie mitunterzeichnen und ihr wird eine Abschrift ausgehändigt (§ 1 Abs. 3 S. 1 VerpflG-E). Wird die Verpflichtung per Videokommunikation vorgenommen, ist dies in der Niederschrift zu vermerken (§ 1 Abs. 3 S. 2 VerpflG-E). Mitunterzeichnung und Überlassung der Niederschrift sollen in diesem Fall so ablaufen, dass die zuständige Stelle der verpflichteten Person eine unterzeichnete Abschrift der Niederschrift übermittelt, die die verpflichtete Person unverzüglich unterzeichnet und an die zuständige Stelle zurücksendet (§ 1 Abs. 3 S. 6 VerpflG-E). Eine Abschrift dieser von beiden Seiten unterzeichneten Niederschrift muss anschließend nicht mehr ausgehändigt werden. Vielmehr ist mit der Übermittlung der Niederschrift zur Unterzeichnung auch die gebotene Überlassung der Niederschrift erfüllt (RefE, S. 12). Für ihre eigenen Unterlagen muss sich die verpflichtete Person ggf. selbst eine Kopie erstellen, falls die zuständige Stelle kein Doppel beifügt.

Die Niederschrift soll zukünftig auch als elektronisches Dokument aufgenommen werden können (§ 1 Abs. 3 S. 3 VerpflG-E). Das gilt sowohl für die Präsenzverpflichtung als auch für die Verpflichtung per Videokommunikation (RefE, S. 11). Es stehe im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Stelle, ob sie sich für die Papierform oder ein elektronisches Dokument entscheidet, wobei sie insbesondere zu berücksichtigen habe, ob bei der zu verpflichtenden Person die erforderlichen technischen Voraussetzungen für die Verwendung eines elektronischen Dokuments vorhanden seien (RefE, S. 11). Die elektronische Niederschrift muss von der verpflichteten Person entweder mit ihrer qualifizierten elektronischen Signatur versehen oder auf einem zur elektronischen Erfassung der Unterschrift geeigneten Hilfsmittel unterzeichnet werden (§ 1 Abs. 3 S. 4 VerpflG-E).

Bei einer Präsenzverpflichtung wird die elektronische Niederschrift an Ort und Stelle elektronisch signiert bzw. unterzeichnet. Als zur „elektronischen Erfassung der Unterschrift geeignete Hilfsmittel“ könne die zuständige Stelle speziell dafür entwickelte Geräte wie Unterschriftenpads, Touchbildschirme und ähnliche Geräte nutzen (RefE, S. 11). Die Geräte müssten die Unterschrift der verpflichteten Person derart elektronisch erfassen, dass sie in der elektronischen Niederschrift bildlich wiedergegeben werden kann (RefE, S. 11). Es sollten Geräte verwendet werden, die die Unterschrift der verpflichteten Person in Echtzeit wiedergäben, damit die verpflichtete Person wie bei der Unterzeichnung eines Papierdokuments den Schreibakt optisch wahrnehmen könne, was beispielsweise bei einem Unterschriftenpad, auf dessen Display die Unterschrift sichtbar sei, der Fall sei (RefE, S. 11 unter Bezugnahme auf den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Einführung einer elektronischen Präsenzbeurkundung, BT-Drucks. 20/11849, 39). Nach der Gesetzesbegründung bietet sich die Unterzeichnung der elektronischen Niederschrift auf solchen Geräten insbesondere dann an, wenn die verpflichtete Person nicht über eine qualifizierte elektronische Signatur verfügt, um auch in diesen Fällen eine elektronische Niederschrift medienbruchfrei zu errichten und von der verpflichteten Person signieren zu lassen (RefE, S. 11).

Bei der Verpflichtung per Videokommunikation kann die elektronische Niederschrift eine Hin- und Rücksendung von Dokumenten in Papierform im Anschluss an die Verpflichtung vermeiden. Voraussetzung dafür ist freilich, dass die verpflichtete Person über eine elektronische Signatur verfügt. Ist das der Fall, dürften in der Regel auch die technischen Voraussetzungen dafür vorliegen, dass die qualifizierten elektronischen Signaturen während der laufenden Bild-Ton-Übertragung angebracht werden können, so die Gesetzesbegründung (RefE, S. 12). Sollte dies nicht möglich sein, so könne die zuständige Stelle das von ihr mit einer elektronischen Signatur versehene Dokument auch an die verpflichtete Person übermitteln, die es dann mit ihrer qualifizierten elektronischen Signatur versehe und an die zuständige Stelle zurück übermittele (RefE, S. 12). Eine Überlassung der so von beiden Seiten signierten Niederschrift sei danach nicht mehr erforderlich (RefE, S. 12).

Wie bisher kann von der Überlassung einer Abschrift der Niederschrift abgesehen werden, wenn dies im Interesse der inneren oder äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland geboten ist (§ 1 Abs. 3 S. 7 VerpflG-E). Die neue Regelung erstreckt diese Einschränkung auf die Übermittlung einer Niederschrift an die verpflichtete Person zum Zwecke der Unterzeichnung bzw. Signierung. Bei einer Verpflichtung per Videokommunikation kann also davon abgesehen werden, der verpflichteten Person eine Abschrift der Niederschrift in Papierform beziehungsweise eine elektronische Niederschrift zu übermitteln und diese von ihr unterzeichnen beziehungsweise mit ihrer qualifizierten elektronischen Signatur versehen zu lassen (RefE, S. 12). In diesem Fall geht eine Abschrift der Niederschrift der verpflichteten Person weder zu noch wird sie von ihr unterzeichnet beziehungsweise elektronisch signiert (RefE, S. 12). Das schwäche die Beweisfunktion der Niederschrift, was von der zuständigen Stelle bei der Entscheidung über die Verfahrensweise zu bedenken sei (RefE, S. 12).

4. Pflicht zur Verpflichtung

Der Gesetzentwurf will das Verpflichtungsgesetz lediglich um eine neue Verfahrensoption erweitern und lässt das „Ob“ der Verpflichtung (§ 1 Abs. 1 VerpflG) und die Zuständigkeiten (§ 1 Abs. 4 VerpflG) unberührt. Die Gesetzesbegründung führt dazu aus, dass es nach dem unveränderten § 1 Abs. 1 VerpflG im Ermessen der zuständigen Stelle stehe, ob sie eine Verpflichtung vornehme (RefE, S. 10). Hierbei sei zu prüfen, ob tatsächlich einschlägige Delikte wie Geheimnisbruch oder Korruption in Betracht kämen. Wenn das nicht der Fall sei, solle die zuständige Stelle von einer Verpflichtung absehen, um eine unangemessene Ausweitung des verpflichteten Personenkreises zu vermeiden (RefE, S. 10). Wo derartige Straftaten dagegen in Betracht kämen, sei eine Verpflichtung vorzunehmen (RefE, S. 10 unter Bezugnahme auf BT-Drucks. 7/550, 365, wonach die Sollvorschrift insoweit als eine „Weisung“ anzusehen sei). Zu prüfen sei zudem, ob eine Verpflichtung entbehrlich sei, weil bereits eine Amtsträgereigenschaft insbesondere nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB bestehe, was bei Personen der Fall sei, die dazu bestellt sind, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen (RefE, S. 10). Eine Verpflichtung von minderjährigen Personen sei zulässig, falls diese zur Erfüllung der jeweiligen Obliegenheiten bereits in der Lage sein sollten und mit Blick auf die Altersgrenze für die Schuldfähigkeit nach § 19 StGB mindestens vierzehn Jahre alt sind (RefE, S. 10).

5. Änderung des Europäische-Staatsanwaltschaft-Gesetzes

Art. 2 des Gesetzentwurfs hängt nicht mit der Neuregelung des Verpflichtungsgesetzes zusammen, sondern dient der Anpassung des Gesetzes zur Ausführung der EU-Verordnung zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (Europäische-Staatsanwaltschaft-Gesetz vom 10.7.2020 [BGBl. I 1648] – EUStAG). Das EUStAG ergänzt die Verordnung (EU) 2017/1939 des Rates vom 12.10.2017 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) (ABl. Nr. L 283 vom 31.10.2017, S. 1 – EUStA-Verordnung). Die Änderung des EUStAG dient der Anpassung der deutschen Rechtslage an das Urteil des EuGH v. 21.12.2023 – G. K. u.a. (Parquet européen), C-281/22, ECLI:EU:C:2023:1018. Darin hat der EuGH entschieden, dass die Art. 31, 32 Verordnung (EU) 2017/1939 dahingehend auszulegen seien, dass sich die Kontrolle, die in dem Fall, dass für eine zugewiesene Ermittlungsmaßnahme eine richterliche Genehmigung nach dem Recht des Mitgliedstaats des unterstützenden Delegierten Europäischen Staatsanwalts erforderlich ist, nur auf Gesichtspunkte der Vollstreckung dieser Maßnahme beziehen dürfe, nicht aber auf Gesichtspunkte der Begründung und der Anordnung der Maßnahme.

Oberstaatsanwalt beim BGH (Referatsleiter im BMJ) Markus Busch LL.M. (Columbia University), Berlin
Der Text gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Verfassers wieder.


Verlag C.F. Müller

zurück zur vorherigen Seite