Logo C.F. Müller
Schlussfolgerungen des Rates – „Die Zukunft des EU-Strafrechts: Empfehlungen für das weitere Vorgehen“

aus wistra 8/2024

Der Rat der EU (Justiz- und Innenminister) hat bei seiner Tagung am 13./14.6.2024 Schlussfolgerungen zur Zukunft des EU-Strafrechts angenommen (Ratsdokument 10984/24; zum Europäischen Strafrecht allgemein s. Brodowski, Die Evolution des Strafrechts, 2023, 443 ff.).

1. Allgemeine Erwägungen

Die Schlussfolgerungen heben das Ultima-ratio-Prinzip sowie die allgemeinen Grundsätze der begrenzten Einzelermächtigung, der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit hervor (Nr. 1, 2). Strafrechtliche Vorgaben sollten durch eine Folgenabschätzung mit „stichhaltigen Beweisen“ für die Notwendigkeit und Angemessenheit einer Pönalisierung unterlegt sein (Nr. 3). Sie müssten zudem eindeutig und kohärent sein und den unterschiedlichen Rechtsordnungen und -traditionen der Mitgliedstaaten Rechnung tragen (Nr. 4). Die Mitgliedstaaten sollten sie in das bestehende System ihres nationalen Strafrechts umsetzen können, ohne dass dabei die Kohärenz ihres allgemeinen Teils beeinträchtigt wird (Nr. 5).

2. Weiteres Vorgehen

Der Rat plant, modernisierte Musterbestimmungen für das EU-Strafrecht zu erarbeiten, die – soweit entsprechende Regelungen notwendig erscheinen – in künftige EU-Rechtsvorschriften einbezogen werden sollen (Nr. 6).

Zu den Musterbestimmung von 2009 s. Ratsdokument 16542/2/09 sowie Schulze/Janssen/Kadelbach/Weißer, Europarecht, 4. Aufl. 2020, § 16 Rz. 48; s. auch die Mitteilung der Kommission „Auf dem Weg zu einer europäischen Strafrechtspolitik: Gewährleistung der wirksamen Durchführung der EU-Politik durch das Strafrecht“ vom 20.9.2011 (KOM/2011/0573 endg.), die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 22.5.2012 zum EU-Ansatz zum Strafrecht (2010/2310[INI], P7_TA[2012]0208) und den Bericht des rumänischen Vorsitzes über die „Zukunft des materiellen Strafrechts der EU“ (Ratsdokument 9726/19, 3 ff.).

Die weitgehend über ein Initiativmonopol verfügende Kommission und das Europäische Parlament als Ko-Gesetzgeber werden aufgefordert, „auf der Grundlage der wichtigsten Grundsätze des EU-Strafrechts zu einem gemeinsamen Verständnis über Musterbestimmungen zu gelangen“ (Nr. 7). Parallel zu den Arbeiten an den neuen Musterbestimmungen will der Rat seine Überlegungen über die Zukunft der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen fortsetzen (Nr. 9).

3. Institutionelles

Unter der Überschrift „Institutionelles“ ersucht der Rat die Kommission, bei ihren zukünftigen Vorschlägen auf die Wahrung des Verhältnismäßigkeits- und des Ultima-Ratio-Grundsatzes zu achten (Nr. 1). Zusammen mit dem Europäischen Parlament wird die Kommission zudem ersucht, „bei künftigen Gesetzgebungsverhandlungen zu berücksichtigen, dass die Mitgliedstaaten für Kohärenz sorgen und die Grundprinzipien ihrer nationalen Rechtsordnungen wahren müssen“ (Nr. 2). Rat, Kommission und Europäisches Parlament sollen „gemeinsam strukturierte und umfassende Überlegungen zu allen Aspekten der Zukunft des EU-Strafrechts, auch in Bezug auf die Stärkung der internen Kohärenz des EU-Strafrechts und dessen Kohärenz mit eng damit verbundenen Instrumenten, und zu der Möglichkeit gemeinsamer Musterbestimmungen anstellen“ (Nr. 3). An diesen Überlegungen sollen sich ggf. auch Vertreter von Wissenschaft und Praxis sowie andere externe Sachverständige beteiligen (Nr. 4).

 

Oberstaatsanwalt beim BGH (Referatsleiter im BMJ) Markus Busch LL.M. (Columbia University), Berlin
Der Text gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Verfassers wieder


Verlag C.F. Müller

zurück zur vorherigen Seite