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Ratsposition zur Korruptionsbekämpfungsrichtlinie

aus wistra 7/2024

Der Rat (Justiz und Innenminister) hat am 14.6.2024 seine Allgemeine Ausrichtung zu der von der Kommission am 3.5.2023 vorgeschlagenen Richtlinie zur Bekämpfung der Korruption (BR-Drucks. 244/23) angenommen (Ratsdokument 10247/24).

Zum Kommissionsvorschlag s. Busch, wistra 2023, Register S. 49; El-Ghazi/Wegner/Zimmermann, wistra 2023, 353, 357; Friedrich/Gierok, NZWiSt 2024, 165, 170; Jansen, wistra 2024, 1; Zimmermann, EuCLR 2024, 27; Stellungnahme des Bundesrats (BR-Drucks. 244/23 [Beschluss]); Wortprotokoll der Sachverständigenanhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags vom 13.11.2023 (Protokoll-Nr. 20/75); Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer (46/2023); Stellungnahme des Deutschen Richterbunds (33/2023).

Der Rat hat sich für eine Vielzahl von Änderungen an dem Kommissionsvorschlag ausgesprochen. Mit Ausnahme der in allen Richtlinien wiederkehrenden Klauseln zu Inkrafttreten (Art. 31) und Adressaten (Art. 33) ist keiner der Regelungsvorschläge unverändert geblieben. Als nächster Verfahrensschritt steht der sog. Trilog an, also das (im AEUV nicht geregelte) „Dreiergespräch“ zwischen Rat, Europäischem Parlament und Kommission, dem der Richtlinienvorschlag der Kommission, die vom Rat jetzt festgelegte Allgemeine Ausrichtung und der Bericht des zuständigen Ausschusses des Europäischen Parlaments zugrunde liegen werden. Wegen der Wahlen zum EP ist mit dem Trilogauftakt erst zum Jahresende zu rechnen (der Diskontinuität ist der Kommissionsvorschlag dagegen nicht anheimgefallen; zur Position des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des Europäischen Parlaments in der vergangenen Legislaturperiode s. den Bericht A9-0048/2024). Nach einer Einigung im Trilog würde sich das förmliche Gesetzgebungsverfahren anschließen, in dem das Europäische Parlament seinen Standpunkt in erster Lesung entsprechend dem Trilogergebnis festlegt und an den Rat übermittelt (Art. 294[3] AEUV). Mit Billigung dieses Standpunkts durch den Rat ist die Richtlinie in der Fassung des Europäischen Parlaments angenommen (Art. 294[4] AEUV). Nach der Allgemeinen Ausrichtung (Art. 29) wäre die Richtlinie dann innerhalb von drei Jahren umzusetzen (was doppelt so lange ist wie die von der Kommission vorgesehene Umsetzungsfrist).
 

1. Straftatbestände

Der RL-Vorschlag der Kommission sah sieben Straftatbestände (Art. 7–13) vor, die dem VN-Übereinkommen gegen Korruption von 2003 (UNAC; s. BT-Drucks. 18/2138, 9) nachgebildet sind, aber auch darüber hinausgehen und die dort teilweise nur optionalen Regelungen verbindlich machen würden.

a) Bestechlichkeit und Bestechung von Amtsträgern (Art. 7)

Nach dem RL-Vorschlag hätten die Mitgliedstaaten Bestechlichkeit und Bestechung von Amtsträgern, also die Gewährung eines Vorteils als Gegenleistung für eine Diensthandlung, unter Strafe stellen müssen, ohne danach differenzieren zu können, ob es sich um einen „ungerechtfertigten Vorteil“ (s. Art. 15 UNCAC) handelt und ob die „erkaufte“ Diensthandlung pflichtgemäß oder pflichtwidrig wäre.

Die deutschen Straftatbestände der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung (§ 331 I, § 333 I StGB) gehen über diese Vorgaben hinaus, da sie nicht den Kauf einer bestimmten Diensthandlung voraussetzen und daher schon Zuwendungen zur bloßen „Klimapflege“ unter Strafe stellen. Sie gelten aber weder bei ausländischen noch – von den in § 335a II StGB genannten Personen sowie EU-Amtsträgern (§ 11 I Nr. 2a StGB) abgesehen – bei internationalen Amtsträgern, wie dies nach dem RL-Vorschlag (Art. 7, 2[3][a][b]) erforderlich wäre. Auch die von § 331 I, § 333 I StGB angedrohte Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren würde hinter den im RL-Vorschlag vorgesehenen sechs Jahren (Art. 15[2][a]) zurückbleiben. Die Straftatbestände der Bestechlichkeit und Bestechung nach §§ 332, 334 StGB gelten zwar auch für ausländische und internationale Amtsträger (§ 335a I StGB), verlangen aber, dass mit dem Vorteil eine pflichtwidrige Diensthandlung erkauft wird, und sind damit enger als Art. 7. Mit Freiheitsstrafe von grundsätzlich bis zu fünf Jahren (§ 332 I, § 334 I StGB) würde auch ihre Strafandrohung hinter dem RL-Vorschlag zurückbleiben.

Der Rat ist dem Kommissionsvorschlag allerdings nicht gefolgt, sondern hat den Tatbestand auf „ungerechtfertigte Vorteile“ beschränkt und die Strafandrohung herabgesetzt: auf drei Jahre bei pflichtgemäßen und auf vier Jahre bei pflichtwidrigen Diensthandlungen (Art. 15[2][a][b]). Es bleibt damit dabei, dass auch Vorteilszuwendungen für pflichtgemäße Diensthandlungen („facilitation payments“) sowohl bei in- als auch bei ausländischen Amtsträgern unter Strafe zu stellen sind. Jedoch kann die Strafbarkeit auf „ungerechtfertigte Vorteile“ beschränkt werden, so dass kleinere Gefälligkeiten nicht zwingend strafbar sein müssen.

Bei der Amtsträgerdefinition hat der Rat ebenfalls Änderungen vorgenommen (Art. 2[2]) und die Erfassung von Personen, denen öffentliche Aufgaben übertragen wurden und die diese Aufgaben wahrnehmen, mit einen Verweis auf das nationale Recht versehen (Art. 2[2][b][c]).

Schiedsrichter und Schöffen definiert die Allgemeine Ausrichtung gesondert (Art. 2[3][4]) und stellt sie in Art. 7(2) den Amtsträgern gleich.

b) Bestechlichkeit von Mandatsträgern (Art. 7, 2[2][a][ii])

Nach dem RL-Vorschlag sollten in- und ausländische Mandatsträger als Amtsträger gelten (Art. 2[5] des RL-Vorschlags; zu den Umsetzungsschwierigkeiten bei der Vorbildvorschrift des Art. 2[a][i] UNCAC s. Spörl in Rose/Kubiciel/Landwehr, UNCAC Commentary, S. 25; zum „Spannungsverhältnis“ hinsichtlich der Mandatsfreiheit nach Art. 38 GG s. das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages vom 12.10.2023 [Az. WD 3 – 3000 – 117/23]). Besondere Anforderungen an die Unrechtsvereinbarung und das Verhältnis zwischen Vorteil und Mandatshandlung (wie etwa das nach § 108e StGB erforderliche Handeln im Auftrag oder auf Weisung) sind jedenfalls nicht ausdrücklich vorgesehen. Der Rat hat sich diesen Vorschlag nicht zu eigen gemacht und sieht stattdessen vor, dass Mandatsträger nationalen Amtsträgern angeglichen bzw. gleichgestellt („assimilated“) werden, dies aber (nur) „im Einklang mit dem nationalen Recht“ (Art. 2[2][a][ii]). Zugleich betont der Rat in Erwägungsgrund 23, dass bei Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht der Wahrung der Freiheit des Mandats von Parlamentsmitgliedern in vollem Umfang Rechnung zu tragen sei und dass die Richtlinie nicht die rechtmäßige Ausübung anerkannter Formen der Interessenvertretung berühren solle, mit denen öffentliche Entscheidungsprozesse in legitimer Weise beeinflusst würden. Auch für Mandatsträger gilt die Beschränkung des Korruptionstatbestands (Art. 7[1]) auf ungerechtfertigte Vorteile, die sich in § 108e StGB wiederfindet.

c) Bestechlichkeit und Bestechung im privaten Sektor (Art. 8)

Die Regelung wurde in den Ratsverhandlungen nur geringfügig geändert und entspricht nach wie vor weitgehend den Vorgaben aus dem Rahmenbeschluss 2003/568/JI zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor, die § 299 StGB (Bestechlichkeit/Bestechung im geschäftlichen Verkehr) umsetzt (BT-Drucks. 18/4350, 14). Unter Strafe zu stellen sind Zuwendungen von ungerechtfertigten Vorteilen an Unternehmensangestellte als Gegenleistung für Handlungen, die pflichtwidrig (Art. 2[5]) sind. Der Rat hat allerdings die im RL-Vorschlag vorgesehene Strafandrohung von fünf Jahren auf drei Jahre herabgesetzt (Art. 15[2][b]). Deutschland hat bei den Ratsverhandlungen eine Protokollerklärung abgegeben, wonach die Vorschrift so auszulegen ist, dass sie nur für Vorgänge im Zusammenhang mit der Beschaffung von Waren oder gewerblichen Leistungen gilt (Ratsdokument 10247/24 ADD 1 REV 1). Dies entspricht der von Deutschland bereits im Jahr 2003 bei der Verabschiedung des Rahmenbeschlusses 2003/568/JI abgegebenen Erklärung (s. Ratsdokument 11700/03 ADD 1, 7; s. dazu Jansen, wistra 2024, 1 sowie die ähnliche Protokollerklärung von Estland, Ratsdokument 10427/24 ADD 2).

d) Veruntreuung (Art. 9)

Nach dem RL-Vorschlag sollte es mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren zu bedrohen sein, wenn Amts- bzw. Mandatsträger (Art. 9[a]) oder Angestellte von Unternehmen (Art. 9[b]) ihnen anvertraute Vermögensgegenstände (Art. 2[2]) zweckwidrig verwenden. Auf einen Schaden sollte es (anders als bei § 266 StGB) nicht ankommen. Auch der Versuch sollte nach dem Kommissionsvorschlag unter Strafe zu stellen sein (Art. 14[3]). Die Allgemeine Ausrichtung sieht dagegen vor, dass für die Strafbarkeit ein Schaden verursacht und ein Vorteil angestrebt werden muss. Die Veruntreuung durch Unternehmensangestellte können die Mitgliedstaaten unter Strafe stellen, sie müssen das aber nicht mehr zwingend tun (Art. 9[2]). Die in Art. 14(3) des RL-Vorschlags enthaltenen Vorgaben zur Versuchsstrafbarkeit sind insgesamt und damit auch für Art. 9 entfallen. Der Strafrahmen wurde auf drei Jahre herabgesetzt (Art. 15[2][b]). Geblieben ist der Schadens- bzw. Vorteilsschwellenwert von 10.000 € in Art. 15(3), unterhalb dessen keine Strafbarkeit oder sonstige Sanktion vorgesehen werden muss. Die Definition von Vermögensgegenstand sowie von Pflichtverletzung findet sich jetzt in Art. 2(1) bzw. (5).

e) Unerlaubte Einflussnahme (Art. 10)

Nach dem RL-Vorschlag sollte der Straftatbestand gelten für den Kauf des tatsächlichen oder vermeintlichen Einflusses einer Person mit dem Ziel, dadurch von einem Amts- oder Mandatsträger einen ungerechtfertigten Vorteil zu erhalten. Ob tatsächlich und erfolgreich Einfluss genommen wird, sollte unerheblich sein (Art. 10[2]). Es handelt sich um eine Art versuchte Kettenanstiftung, an deren Ende aber nicht eine Straftat, sondern bloßes Verwaltungsunrecht stehen sollte. Als Vorteilsnehmer kommen insbesondere Amts- und Mandatsträgern nahestehende Personen in Betracht, die selbst kein Amt oder Mandat innehaben müssen. Die Vorbildregelung in Art. 18 UNCAC ist optional, und der damalige Gesetzgeber hielt die Schaffung eines eigenständigen Tatbestands nicht für angebracht (BT-Drucks. 18/2138, 82). Aus Anlass der BGH-Entscheidung zur (fehlenden) Strafbarkeit der von Mandatsträgern vermittelten „Maskendeals“ (BGH v. 5.7.2022 – StB 7-9/22 = wistra 2022, 465) ist nun aber mit dem neuen § 108f StGB eine Strafbarkeit der unzulässigen Interessenwahrnehmung geschaffen worden (s. dazu Busch, wistra 2024 Heft 6 R9).

Der Rat hält an einem Jedermann-Tatbestand fest, verlangt für die Strafbarkeit aber, dass unerlaubter bzw. rechtswidriger („illicit“) Einfluss auf den Entscheidungsträger ausgeübt werden und die zu beeinflussende Entscheidung zu einer ungerechtfertigten Begünstigung führen soll, was nur bei rechtswidrigen Entscheidungen der Fall sein dürfte. In Deutschland gibt es Einflussnahmeverbote für Mandatsträger (für Mitglieder des Deutschen Bundestages s. § 44a III 1 AbgG), die mit dem neuen § 108f StGB inzwischen unter bestimmten Voraussetzungen auch strafbewehrt sind. Für Amtsträger ist die bezahlte Beeinflussung von anderen Amtsträgern bzw. von Mandatsträgern bereits nach §§ 331 ff. StGB strafbar, wenn es sich um eine Dienstausübung handelt. Außerhalb der Dienstausübung dürfte eine solche Einflussnahme aufgrund der Nebentätigkeitsvorschriften unerlaubt sein und sie müsste damit nach der Richtlinie unter Strafe gestellt werden. Einflussnahmeregelungen finden sich außerdem im Lobbyregistergesetz. Danach besteht u.a. für Interessenvertretungen, die „bei Gewährung einer Gegenleistung in Auftrag gegeben“ werden, eine Registrierungspflicht (§ 2 I 1 Nr. 5 Lobbyregistergesetz), deren Nichterfüllung eine Interessenvertretung ebenfalls rechtswidrig/unerlaubt machen dürfte. Die Strafbarkeit kann jeweils auf ungerechtfertigte Vorteile beschränkt werden. Als Strafandrohung sind nach der Allgemeinen Ausrichtung drei Jahre vorzusehen (Art. 15[2][b]).

f) Amtsmissbrauch (Art. 11)

Nach Art. 11(1) des RL-Vorschlags wären Amts- und Mandatsträger mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren (Art. 15[2][b]) zu bestrafen gewesen, wenn sie in Erfüllung ihrer Aufgaben rechtswidrige Handlungen vornehmen, um für sich oder andere einen ungerechtfertigten Vorteil zu erlangen (zur Vorbildregelung in Art. 19 UNCAC s. F. Zimmermann in T. Zimmermann [Hrsg.], Korruptionsstrafrecht, 2023, S. 31). Eine Parallelregelung sah Art. 11(2) für pflichtwidriges Verhalten (Art. 2[6]) von Unternehmensangestellten vor. In beiden Fällen wäre der Versuch unter Strafe zu stellen gewesen. Der Rat hat die Vorschrift optional ausgestaltet und die Strafbarkeit des „Amtsmissbrauchs“ durch Unternehmensangestellte komplett gestrichen. Vorgaben zum Strafrahmen sind dementsprechend entfallen.

g) Behinderung der Justiz (Art. 12)

Mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Jahren (Art. 15[2][a]) zu bedrohen war nach dem RL-Vorschlag eine zumindest angestrebte Beweismittelunterdrückung bzw. Herbeiführung von Falschaussagen durch Gewalt, Drohung, Einschüchterung oder Vorteilsgewährung (Art. 12[1]). Auch die mit Gewalt, Drohung oder Einschüchterung zumindest angestrebte Behinderung von Strafverfolgungsbehörden und Gerichten sollte unter Strafe gestellt werden (Art. 12[2]). Beide Regelungen sollten nur für Verfahren wegen Straftaten nach dem RL-Vorschlag gelten. Der Rat hat in seiner Allgemeinen Ausrichtung durch die Ergänzung, dass die entsprechenden Handlungen „als eine oder mehrere Straftaten“ unter Strafe zu stellen sind, verdeutlicht, dass die Richtlinie keinen eigenständigen Tatbestand der Justizbehinderung in Korruptionsstrafverfahren verlangt, sondern auch durch allgemeine Tatbestände (wie etwa Nötigung) umgesetzt werden kann (s. auch Erwägungsgrund 14). Die Vorgabe zum Strafrahmen hat der Rat ebenso gestrichen wie die Versuchsstrafbarkeit.

h) Bereicherung durch Korruptionsdelikte (Art. 13)

Die Vorschrift sollte den von Kommissionspräsidentin von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union vom 14.9.2022 angekündigten Straftatbestand der „illegalen Bereicherung“ verwirklichen, der in noch weitergehender Form als optionale Regelung in Art. 20 UNCAC vorgesehen ist (strafbar ist danach die erhebliche Zunahme des Vermögens eines Amtsträgers, die er im Verhältnis zu seinen rechtmäßigen Einkünften nicht plausibel erklären kann; kritisch zur Umsetzbarkeit Landwehr in T. Zimmermann [Hrsg.], Korruptionsstrafrecht, 2023, S. 57). Bestraft werden sollten nach dem RL-Vorschlag das Sich-Verschaffen, Verwenden und Besitzen von aus Korruptionsstraftaten herrührenden Vermögenswerten. Die Regelung nimmt Anleihen bei der Geldwäschestrafbarkeit, da sie ein festgestelltes und vom Tätervorsatz umfasstes Herrühren der Vermögenswerte aus einer Straftat verlangt (s. Erwägungsgrund 16). Sie sah aber gerade keine Ausnahme für die Selbstgeldwäsche vor (s. zur Selbstgeldwäsche Bergmann, NZWiSt 2014, 448) und hätte demnach zu einer (weiteren) Bestrafung führen können, wenn etwa ein Amtsträger ein von ihm angenommenes Bestechungsgeld behält oder für Einkäufe verwendet. Der Rat sieht in seiner Allgemeinen Ausrichtung ausdrücklich vor, dass die Strafbarkeit nur bei der Korruptionsvortat eines anderen Amtsträgers greift (s. auch Erwägungsgrund 16). Er hat außerdem den Strafrahmen auf zwei Jahre herabgesetzt und die Versuchsstrafbarkeit gestrichen.
 

2. Sanktionen für juristische Personen

Die Allgemeine Ausrichtung sieht bei Korruptionsstraftaten von Leitungspersonen (Art. 16[1]) umsatzbasierte Höchstgeldbußen von 5 % bzw. 3 % vor (Art. 17[3][a][b]). Alternativ dazu können die Mitgliedstaaten Höchstbeträge von 40 Mio. bzw. 24 Mio. € vorsehen. Sie folgt damit den Regelungen der kürzlich in Kraft getretenen Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt (s. dazu oben I. und Busch, wistra 2024 Heft 1 R8). Der RL-Vorschlag hatte demgegenüber durchgehend umsatzbezogene Geldbußen von 5 % vorgesehen und zudem nicht zwischen Straftaten und Aufsichtspflichtverletzungen von Leitungspersonen unterschieden (s. dazu die Protokollerklärung Bulgariens [Ratsdokument 10247/24 ADD 3]). Der im RL-Vorschlag enthaltene umfangreiche Katalog von Nebenfolgen wurde gekürzt und optional ausgestaltet (Art. 17[2]).
 

3. Strafzumessungskriterien

Die Strafzumessungskriterien wurden auf zwei Artikel aufgeteilt. Art. 18 enthält erschwerende, Art. 18a mildernde Umstände. Beide Regelungen sind nach Vorbild der Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt jetzt weitgehend optional ausgestaltet. Ausdrücklich klargestellt wurde, dass Selbstanzeigen sowie Vor- bzw. Nachtat-Compliance nur bei juristischen Personen als Strafmilderungskriterien heranzuziehen sind (Art. 18a[b][c] UA 2).
 

4. Korruptionsstrafverfolgung

(a) Nach Art. 4(2) des RL-Vorschlags mussten in den Mitgliedstaaten auf Korruptionsbekämpfung mit den Mitteln der Strafverfolgung spezialisierte Stellen vorhanden sein, die ausreichend ausgestattet und funktionell unabhängig sind (Art. 4[3][a]). Die Vorbildregelung in Art. 36 UNCAC verlangt demgegenüber nur, dass die zu einer wirksamen Aufgabenerfüllung und zur Vermeidung unzulässiger Einflussnahme „nötige Unabhängigkeit“ in Übereinstimmung mit den wesentlichen Grundsätzen der nationalen Rechtsordnung gewährt wird, und löste aus Sicht des Gesetzgebers keinen Umsetzungsbedarf aus (BT-Drucks. 18/2138, 87). Die Allgemeine Ausrichtung orientiert sich an UNCAC. Sie hat Art. 4–6 in ein neues Kapitel 3 („Prävention, Meldung und Untersuchung“) verschoben und sieht vor, dass die entsprechenden Korruptionsstrafverfolgungsstellen ohne unzulässige Einflussnahme arbeiten können müssen (s. Art. 4[3]; s. dazu auch den BMJ-Referentenentwurf eines Gesetzes zur Erhöhung der Transparenz von Weisungen gegenüber der Staatsanwaltschaft). Ausstattung und Fortbildung sind in leicht modifizierter Form weiterhin in Art. 5 bzw. 6 geregelt.

(b) Die Regelung, dass Privilegien und Immunitäten (einschließlich für Mandatsträger) aufgehoben werden können müssen, steht nunmehr unter dem Vorbehalt, dass dies nicht gegen Rechtsordnungen, Verfassungen und Verfassungsgrundsätze der Mitgliedstaaten verstößt (Art. 19, s. dazu die kritische Protokollerklärung von Bulgarien [Ratsdokument 10247/24 ADD 3]).

(c) Gerichtsbarkeit (Strafanwendungsrecht), Verfolgungs- bzw. Vollstreckungsverjährung werden in Art. 20, 21, Ermittlungsinstrumente in Art. 23 geregelt. In der Allgemeinen Ausrichtung folgen die Vorschriften wiederum dem Regelungsvorbild der Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt.

(d) Die Statistikverpflichtungen in Art. 26 wurden abgeschwächt und teilweise beschränkt auf Daten, die auf zentraler Ebene zur Verfügung stehen.
 

5. Korruptionsprävention

Der Rat hat die Definition von Korruptionsprävention (Art. 2[1]) gestrichen und stattdessen eine Erläuterung des Begriffs in Erwägungsgrund 15 aufgenommen. Zur Korruptionsprävention sah der RL-Vorschlag neben Sensibilisierungs‑, Forschungs- und Bildungsprogrammen (Art. 3[1]) ein Höchstmaß an Transparenz und Rechenschaft bei staatlichem Handeln (Art. 3[2]) vor, einschließlich des öffentlichen Zugangs zu Informationen sowie der Offenlegung von Interessenskonflikten und der Offenlegung und Überprüfung der Vermögensverhältnisse von Amts- und Mandatsträgern (Art. 3[3]). Die Mitgliedstaaten sollten außerdem bereichsspezifische Maßnahmen zur Korruptionsprävention in Staat und Wirtschaft ergreifen (Art. 3[4]), die insbesondere an hochrangige Amtsträger (Art. 2[8]) und Amtsträger in der Justiz zu richten sind. Die Allgemeine Ausrichtung hat diese Vorgaben deutlich flexibler gestaltet, womit auch Bedenken hinsichtlich der Rechtsgrundlage für Präventionsmaßnahmen Rechnung getragen worden sein dürften. Außerdem wurde die Definition von „hochrangigen Amtsträgern“ nach Art. 2(a)(iii) verschoben und mit einem Verweis auf das nationale Recht versehen.
 

6. Folgeänderungen

Die Folgeänderungen für die Richtlinie (EU) 2017/1371 über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug (PIF-Richtlinie), die ebenfalls Korruptionsstraftatbestände enthält, wurden entsprechend den vorgenommenen Änderungen angepasst (Art. 28). Die Aktualisierung der Verweisungen auf die bestehenden EU-Korruptionsbekämpfungsinstrumente wurde präzisiert (Art. 27).

Oberstaatsanwalt beim BGH (Referatsleiter im BMJ) Markus Busch LL.M. (Columbia University), Berlin
Der Text gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Verfassers wieder.


Verlag C.F. Müller

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