aus wistra 6/2024
Die Senatsverwaltung für Justiz (Berlin) teilt mit, dass Vermögensabschöpfung, Bekämpfung der organisierten Kriminalität und Clankriminalität Arbeitsschwerpunkte seien. 2017 sei das neue Vermögensabschöpfungsrecht in Kraft getreten, weil die bis dahin geltenden Regeln als wenig effektiv angesehen worden seien. Es sei Bedarf gesehen worden für neue Instrumente, um insbesondere Straftätern inkriminiertes Vermögen zu entziehen. Mit der Änderung des Vermögensabschöpfungsrechtes sei es heute möglich, für die Staatsanwaltschaft und Gerichte Vermögen leichter als vorher einzuziehen. Vermögen könne auch eingezogen werden, wenn es lediglich Indizien nahelegten, dass das Vermögen aus einer kriminellen Tat herrühre, auch wenn unklar sei, aus welcher Tat das Vermögen resultiere.
Es gebe eine Bund-/Länderarbeitsgruppe zum Thema Vermögensabschöpfung. Das Land Berlin habe neben Bremen die Federführung. Diese Arbeitsgruppe setze sich intensiv mit den rechtlichen und den tatsächlichen Rahmenbedingungen auseinander und versuche, Optimierungsbedarfe zu identifizieren und sie entsprechend anzugehen, um letztlich inkriminiertes Vermögen leichter einziehen zu können als es bislang der Fall gewesen sei. In der Arbeitsgruppe sei Berlin gewisse Verpflichtungen eingegangen. Dort seien fast 100 Ministerialbeamte aus dem gesamten Bundesgebiet vertreten, die aus Erfahrungen berichteten und versuchten, die Lücken zu identifizieren. Der Prozess und die Verbesserungsvorschläge müssten insofern abgewartet werden. In den diversen Treffen seien alle 16 Bundesländer beteiligt, auch das Bundesjustizministerium. Die Kernarbeitsgruppe habe Präsenzveranstaltungen und Videokonferenzen durchgeführt, unabhängig vom Standort, ob Berlin, Hannover, Bremen. Es gehe um die Themen materielles Recht, Jugendstrafrecht, Immobilieneinziehung, Verfahrensrecht, vorläufige Sicherungsmaßnahmen sowie Vollstreckungsrecht. 200 konkrete Probleme aus der Praxis seien beschrieben worden, bei denen ein Regelungsbedarf gesehen werde; dieser werde untersucht. Ein entsprechender Abschlussbericht werde erstellt und auf der Frühjahrskonferenz der Justizminister im Mai 2024 vorgestellt und entsprechende Beschlüsse gefasst werden.
Unabhängig davon werde geschaut, wo allein aus der Berliner Perspektive heraus ein Tätigwerden erforderlich sei. Insofern sei bei der 94. Justizministerkonferenz ein entsprechender Beschlussvorschlag zur Erweiterung der Einziehung von Dritteigentümern eingebracht worden. Es gehe hier um die §§ 74 ff. StGB. Danach gebe es die Möglichkeit der Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten, wenn der Täter zugleich der Eigentümer, beispielsweise des Kraftfahrzeuges sei. Nach § 74a StGB könne die Einziehung auch auf Sachen ausgeweitet werden, bei denen der Täter nicht Eigentümer sei, beispielsweise bei denen der Täter das Kraftfahrzeug gemietet habe; dieses könne entsprechend eingezogen werden. Es sei allerdings nur dann einziehungsfähig, wenn der Vermieter oder der Verleiher bei Abschluss des Miet- oder Leihvertrages leichtfertig gehandelt habe. Dieser Nachweis müsse erbracht werden, weshalb diese Vorschrift häufig ins Leere laufe, weil dieser Beleg des leichtfertigen Handelns nicht so ohne weiteres, gerade im Bereich der organisierten Kriminalität, zu erbringen sei. Diese Entwicklung, das exklusive Leben mit Mietgut, werde von der Staatsanwaltschaft bekräftigt; sie setze sich immer mehr fort. Insofern habe Berlin den entsprechenden Beschluss an den Bundesjustizminister mit der Bitte für eine Gesetzesänderung eingebracht, um das an der Stelle für die Praktiker, für die Strafverfolgungsbehörden, einfacher und effizienter zu gestalten.
Ansonsten gebe es aktuell noch das Modellprojekt Vermögensabschöpfung im Ordnungswidrigkeitenrecht. Im Rahmen der Vermögensabschöpfungsnovellierung sei eingefügt worden, dass es nicht nur im Strafrecht, sondern auch im Bereich der Ordnungswidrigkeiten die Möglichkeit der Einziehung gebe. Im Bereich der Ordnungswidrigkeiten gebe es die Möglichkeit, entweder einen Einziehungsbescheid bzw. einen Bußgeldbescheid zu erlassen; meistens werde von dem Bußgeldbescheid Gebrauch gemacht, weil es einfacher für die betreffenden Stellen sei, einen solchen zu erlassen. Das Problem bei dem Bußgeldbescheid sei das sog. Nettoprinzip. Dies bedeute, dass derjenige alle entstandenen Aufwendungen von seinem Bußgeld abziehen lassen könne, so dass am Ende ein relativ kleiner Betrag verbleibe, der zurückverlangt werden könne. Berlin würde daher eher die zweite Alternative, die sog. Einziehung, verfolgen, weil bei dieser das sog. Bruttoprinzip gelte; Aufwendungen könnten nicht abgezogen werden. Der Einziehungsbescheid sei rechtlich etwas komplizierter, weshalb die Senatsverwaltung die Bezirksbürgermeister im letzten Sommer zu einem Informationsgespräch eingeladen und das Modellprojekt vorgestellt und für dieses Projekt geworben hätten. Inzwischen machten alle Bezirke mit.
Die Staatsanwaltschaft in Berlin habe eine Sonderzuständigkeit für den Bereich der Vermögensabschöpfung. Es sei die Abteilung, die auch Grundsatz- und Einzelangelegenheiten der Vermögensabschöpfung bearbeite und die entsprechenden Ermittlungsverfahren durchführe, aber auch Maßnahmen zur vorläufigen Sicherung der Einziehung von Taterträgen bzw. des Wertes von Taterträgen. Sie unterstütze aber auch und berate bei Vermögensermittlungen und Maßnahmen zur vorläufigen Sicherung. Es sei ein erhöhter Arbeitsaufwand mit der Novellierung im Jahr 2017 verbunden gewesen. Leider seien die Strafverfolgungsbehörden in den letzten Jahren nicht in dem Maß auch personell unterstützt worden, wie es erforderlich sei, um diese Regelungen auch mit Leben zu erfüllen (Inhaltsprotokoll Recht 19/33).
Rechtsanwalt Prof. Dr. Carsten Wegner, Berlin