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Berlin: Strafverfahren wegen Corona-Hilfen

aus wistra 6/2024

Die Senatsverwaltung für Justiz (Berlin) teilt mit, dass sich die Berliner Strafjustiz seit Beginn der Coronapandemie mit einer erheblichen Anzahl von Betrugsverfahren im Zusammenhang mit Coronahilfen konfrontiert sieht. Es gehe nicht nur um Strafverfahren wegen Subventionsbetrugs im Zusammenhang mit Coronahilfen, sondern auch um Strafverfahren im Zusammenhang mit Abrechnungsbetrug beispielsweise durch Corona-Testzentren. Die Coronapandemie und die damit einhergehenden Auswirkungen auch auf die Berliner Wirtschaft habe das Land Berlin mit entsprechenden Coronahilfen für Unternehmen oder Soloselbstständige bzw. Angehörige freier Berufe durch schnelle, unbürokratische finanzielle Unterstützung abmildern wollen. Die zunächst gewährte Soforthilfe sei später abgelöst worden durch sog. Überbrückungshilfen des Bundes. Die schnelle und unbürokratische Lösung sei von einem kleinen Teil der Bevölkerung, Einzeltätern, aber auch bandenmäßig organisierten, teilweise sogar mit Finanzagenten arbeitenden Gruppierungen, missbraucht worden, um sich unberechtigt die entsprechenden Coronahilfen auszahlen zu lassen; sie hätten zum Teil unter Vorspiegelung von Notlagen unrechtmäßig Gelder eingenommen. Die entsprechenden Anzeigen seien entweder über Geldwäscheverdachtsanzeigen bekannt geworden, aber auch über Verdachtsmeldungen der zuständigen Investitionsbank Berlin im Rahmen des dortigen Clearings, aber auch durch Erkenntnisse aus anderen Strafverfahren, bei denen bestimmte Bezüge und Verbindungen festgestellt worden seien. Die Staatsanwaltschaft sei mit einer erheblichen Flut an Ermittlungsverfahren unterschiedlichen Konstellationen und unterschiedlichen Umfangs konfrontiert gewesen. Insofern seien auch die Ermittlungen ganz unterschiedlich abgelaufen. Hinzu kämen weitere Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der Beantragung von Coronahilfen, für die beispielsweise die Generalstaatsanwaltschaft zuständig sei, weil beispielsweise ein Extremismusbezug gegeben gewesen sei.

Um der Flut und den unterschiedlichen Fallkonstellationen zu begegnen und eine fachlich konzentrierte, effektive Bearbeitung sicherzustellen, sei die Bearbeitung der Betrugsverfahren bei der Staatsanwaltschaft durch eine ausgewählte Gruppe von erfahrenen Staatsanwältinnen und Staatsanwälten erfolgt, die ausschließlich mit der Bearbeitung der Coronabetrugsverfahren betraut worden seien. Sukzessive seien die Ermittlungsverfahren allein aufgrund der Menge durch weitere Dezernentinnen und Dezernenten der Staatsanwaltschaft geführt worden. Die Staatsanwaltschaft Berlin sowie die Strafgerichte hätten sich mit der rechtlichen Fragestellung auseinanderzusetzen, ob eine betrügerische Beantragung der Coronahilfen über die online eingestellten Antragsformulare der IBB die Voraussetzungen eines Subventionsbetruges nach § 264 StGB erfülle; es komme auf subventionserhebliche Tatsachen an. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auch auf eine – nicht näher bezeichnete – Entscheidung des KG. In einem Antragsformular der IBB seien keine für die Verwirklichung des Tatbestandes erforderliche subventionserhebliche Tatsachen anzugeben gewesen. Insofern habe man über diese auch nicht hinwegtäuschen können; es scheide hiernach eine Strafbarkeit nach § 264 StGB aus, so dass lediglich eine Strafbarkeit nach § 263 bzw. § 263a StGB infrage komme.

In der Zeit zwischen dem 1.3.2020 und dem 10.1.2024 seien im Aktenverwaltungssystem der Staatsanwaltschaft insgesamt 9.742 Verfahren sowohl gegen Bekannt als auch gegen Unbekannt erfasst worden. Von diesen 9.742 Ermittlungsverfahren seien bisher insgesamt 4.498 Verfahren erledigt. Von diesen wiederum sei bei 1.124 Verfahren ein Antrag auf Erlass eines Strafbefehls gestellt. In 284 Fällen sei Anklage erhoben worden. 2.691 Verfahren seien mangels hinreichenden Tatverdachts oder wegen Vorliegens eines Verfahrenshindernisses nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. 393 seien aus Opportunitätsgründen nach § 153 und § 153a sowie § 154 StPO eingestellt worden. In 2.338 habe es Verfahrensverbindungen gegeben, wenn die Verfahren den gleichen Beschuldigten betroffen hätten (Inhaltsprotokoll Recht 19/33).

Rechtsanwalt Prof. Dr. Carsten Wegner, Berlin


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