aus wistra 4/2024
Auf Initiative von Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg und Nordrhein-Westfalen hat der Bundesrat am 11.2.2022 beschlossen, erneut seinen Entwurf eines Gesetzes zur besseren Bekämpfung von Mietwucher (BT-Drucks. 20/1239; s. Möhrenschlager, wistra 2022, Register 39) einzubringen, der den Ordnungswidrigkeitentatbestand in § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 (WiStrG 1954) anpassen und verschärfen soll. Während der identische Vorläuferentwurf aus der letzten Legislaturperiode (BT-Drucks. 19/16397) ohne Beratung im Deutschen Bundestag der Diskontinuität anheimgefallen war, hat der (vorbehaltlich der Überweisung zur federführenden Beratung) zuständige Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags zu dem jetzigen Entwurf eine Sachverständigenanhörung beschlossen und am 19.2.2024 durchgeführt.
Zivilrechtliche Regelungen über die Miethöhe bei Mietbeginn und über Mieterhöhungen seien in der Praxis teilweise nicht ausreichend, um Mieter effektiv vor wucherischen Mieten zu schützen, so die Entwurfsbegründung (BT-Drucks. 20/1239, 1). Das als Ordnungswidrigkeitstatbestand ausgestaltete Verbot der Mietpreisüberhöhung des § 5 WiStrG 1954 sei in der Praxis weitgehend wirkungslos geworden (BT-Drucks. 20/1239, 6). Hauptgrund dafür sei, dass die BGH-Rechtsprechung sehr hohe Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal der Ausnutzung (durch den Vermieter) eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen stelle und sich das Merkmal in der Praxis kaum nachweisen lasse, so dass die Vorschrift faktisch weitgehend leerlaufe (BT-Drucks. 20/1239, 1). Nach der BGH-Rechtsprechung erfüllt der Vermieter das Merkmal des „Ausnutzens“ nur, wenn er „erkennt oder in Kauf nimmt“, dass der Mieter sich in einer Zwangslage befindet, weil er aus nachvollziehbaren gewichtigen Gründen nicht auf eine preiswertere Wohnung ausweichen kann (BGH v. 13.4.2005 – VIII ZR 44/04, wistra 2005, 388 = NJW 2005, 2156 f.).
Der Entwurf will das Merkmal „infolge der Ausnutzung“ durch die Formulierung „bei Vorliegen“ ersetzen (Art. 1 Nr. 1 Buchst. a) und die Geldbuße von 50.000 € auf 100.000 € verdoppeln (Art. 1 Nr. 1 Buchst. b). § 5 WiStrG 1954 hätte danach folgenden Wortlaut (Änderungen kursiv) und würde in dieser Fassung anzuwenden sein, wenn das Mietverhältnis am Tag des Inkrafttretens der Neuregelung oder später begründet worden ist (Übergangsregelung in § 22 WiStrG-E, Art. 1 Nr. 1):
§ 5 Mietpreisüberhöhung
(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig für die Vermietung von Räumen zum Wohnen oder damit verbundene Nebenleistungen unangemessen hohe Entgelte fordert, sich versprechen lässt oder annimmt.
(2) Unangemessen hoch sind Entgelte, die bei Vorliegen eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen die üblichen Entgelte um mehr als 20 vom Hundert übersteigen, die in der Gemeinde oder in vergleichbaren Gemeinden für die Vermietung von Räumen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage oder damit verbundene Nebenleistungen in den letzten sechs Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen der Betriebskosten abgesehen, geändert worden sind. Nicht unangemessen hoch sind Entgelte, die zur Deckung der laufenden Aufwendungen des Vermieters erforderlich sind, sofern sie unter Zugrundelegung der nach Satz 1 maßgeblichen Entgelte nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung des Vermieters stehen.
(3) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu einhunderttausend Euro geahndet werden.
Die Begründung hebt hervor, dass sich die Bedeutung der Vorschrift nicht allein in einer behördlich verfolgbaren Ordnungswidrigkeit beschränke, sondern es sich auch um ein sog. Verbotsgesetz (§ 134 BGB) handele und ein Verstoß gegen § 5 dazu führe, dass eine entsprechende mietrechtliche Vereinbarung insoweit nichtig sei, als die veränderte Miete die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 20 Prozent übersteige, so dass der Mieter die überhöhte Miete gem. § 812 I 1 Alt. 1 BGB zurückfordern und gegebenenfalls einklagen könne (BT-Drucks. 20/1239, 6).
Die Bundesregierung hatte in der Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf (BT-Drucks. 20/1239, 10) erklärt, dass ihre Meinungsbildung zu dem Vorschlag noch nicht abgeschlossen sei. Zugleich hatte sie auf ihre Stellungnahme zu dem Entwurf aus der letzten Legislaturperiode Bezug genommen, wonach der Regelungsvorschlag Fragen mit Blick auf den Schuldgrundsatz aufwerfe. Die Bundesregierung habe Bedenken, dass die Ordnungswidrigkeit bei Streichung des subjektiven Tatbestandsmerkmals der „Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen“ kein in besonderer Weise vorwerfbares Unrecht mehr abbilde und daher eine Bußgeldbewehrung nicht gerechtfertigt sei.
In der Anhörung hat sich Herlitz als Vertreter des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. (GdW) die Bedenken der Bundesregierung gegen den Entwurf zu eigen gemacht. Der Entwurf würde darüber hinaus zu einem bundesweiten und scharfen Mietendeckel führen. Das Ordnungswidrigkeitenrecht wäre „leichter“ erfüllt als die entsprechenden mietrechtlichen Regelungen des BGB. Das Mietrecht zu verschärfen, würde zudem nicht dabei helfen, die angespannte Lage bei den Wohnungsmärkten zu beheben, sondern eher das Gegenteil bewirken. Für den Immobilienverband Deutschland (IVD) verwies Osthus auf den Wohnungsmangel als das eigentliche Problem, das es durch ein höheres Wohnungsangebot zu lösen gelte. Folge des Bundesratsentwurfs könnten dagegen weniger Investitionen in den Mietwohnungsneubau sein. Der Vertreter der Region Ost des Immobilienwirtschaftsverbandes Zentraler Immobilien Ausschuss, Schede, betonte, dass der Vorschlag auf eine „Mietpreisbremse 2.0“ mit den Mitteln des Ordnungswidrigkeitenrechts hinauslaufen würde. RA Raabe begrüßte dagegen den Bundesratsvorschlag. Der BGH habe in mehreren Entscheidungen die Anforderungen an den geltenden Ordnungswidrigkeitentatbestand erheblich verschärft, so dass in den letzten zwei Jahrzehnten kaum noch Verfahren geführt worden seien. Ähnlich argumentierte Raatschen vom Mieterverein „Mieter helfen Mietern“ (Hamburg). Die BGH-Rechtsprechung habe eine wirksame Vorschrift zur Begrenzung von Ausreißermieten in eine Karteileiche verwandelt. Auch der Präsident des Deutschen Mieterbunds Siebenkotten sprach sich für eine Revitalisierung von § 5 WiStrG 1954 aus, um die Einhaltung von Mietobergrenzen sicherzustellen. Die Leiterin des Amtes für Wohnungswesen der Stadt Frankfurt/M., Wagner, sah ebenfalls Handlungsbedarf. Die Anwendung von § 5 WiStrG 1954 bereite in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten mit der Folge eines rechtlichen Vakuums. Die Vorschrift sei an die Gegebenheiten auf den Mietwohnungsmärkten anzupassen. Wegner (Europa-Universität Viadrina Frankfurt/O.) sah keine rechtlichen oder gar verfassungsrechtlichen Probleme bei dem Bundesratsentwurf. Dass eine Bußgeldbewehrung von vorsätzlichen und leichtfertigen Verstößen gegen staatliche Preisregelungen dem verfassungsrechtlichen Schuldgrundsatz widerspreche, lasse sich nicht begründen. Die Entscheidung über den Gesetzentwurf könne sich daher von wirtschafts- und sozialpolitischen Aspekten leiten lassen und sei keine verfassungsrechtliche Frage.
Oberstaatsanwalt beim BGH (Referatsleiter im BMJ) Markus Busch LL.M. (Columbia University), Berlin
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