aus wistra 4/2024
Im Bundestag wurden in einer Sitzung am 13.12.2023 (Protokoll 18127) steuerstraf- und verjährungsrechtliche Themen diskutiert. Im Protokoll heißt es insoweit:
„Mechthilde Wittmann (CDU/CSU):
Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Frage geht an den Herrn Bundeskanzleramtsminister Schmidt. Herr Minister Schmidt, Sie selbst und auch der Herr Bundeskanzler wurden ja schon mehrfach zu der Rolle des heutigen Bundeskanzlers, vormaligen Bundesfinanzministers und vormaligen Ersten Bürgermeisters der Hansestadt Hamburg in Sachen Cum-ex-Komplex, in Sachen Warburg Bank befragt und hatten eigentlich Transparenz und Aufklärung versprochen. Das Gegenteil ist passiert. Sie haben nicht nur den Arbeitsstab mit Ihren eigenen Genossen besetzt, sondern auch noch einen Beamten aus dem Bundesfinanzministerium dorthin abgeordnet, und das mit einem gewissen Erfolg. Sie konnten die Laptops vom ehemaligen Genossen aus Nordrhein-Westfalen mit den über 700 000 E‑Mails lange zurückhalten, bis sie endlich doch in Hamburg waren. Aber dann wurden sie von sicherer Stelle – wiederum von Ihrem Arbeitsstableiter, der ja nicht mal die Sicherheitsprüfung bestanden hat – aus dem sicheren Tresor entnommen. Deswegen darf ich Sie fragen: Wenn der Herr Bundeskanzler so gar nichts zu befürchten hat, wieso muss er sich in Gedächtnislücken flüchten und wieso tun vor allen Dingen Sie alles, aber wirklich alles – inklusive Nebelkerzen auf X –, um all das zu verschleiern, was damals in Hamburg stattfand?
Wolfgang Schmidt, Bundesminister für besondere Aufgaben:
In Ihren Ausführungen waren so viele Unterstellungen und Falschbehauptungen, dass ich gar nicht richtig weiß, wo ich anfangen soll. Vielleicht fangen wir mit den Fakten an. Anders als beschrieben wurde, ist der Stadt Hamburg oder dem Staat keinerlei Schaden entstanden: Alle Gelder, die durch illegale Cum-ex-Geschäfte von dieser Bank erbeutet worden sind, sind zurückgefordert worden.
Im Gegenteil: Es sind sogar 80 Millionen Euro Zinsen gezahlt worden. Anders als ständig behauptet wird, hat es keinerlei Verjährung dieser Forderung gegeben. Deswegen sind die Gelder vom Finanzamt zurückgefordert worden, nachdem das Vorliegen von Cum-ex-Geschäften feststand. Und das Finanzgericht Hamburg hat gerade festgestellt, dass diese Rückforderung des Finanzamtes auch gerechtfertigt war.
Alle Befragten – es waren über 50 Zeuginnen und Zeugen im seit drei Jahren laufenden Untersuchungsausschuss in Hamburg – haben klar ausgesagt: Es hat keinerlei Beeinflussung dieses Steuerverfahrens gegeben. – Sie wussten nichts von den Treffen von Scholz, und sie haben diese Entscheidung selbstständig getroffen, wie übrigens parallel die nordrhein-westfälische Finanzverwaltung im Fall der WestLB, weil eben zum damaligen Zeitpunkt, im Herbst 2016, das Vorliegen von Cum-ex-Geschäften noch nicht bewiesen war. Ich bin sehr froh, dass wir in einem Rechtsstaat leben und dass nicht einfach auf Verdacht irgendetwas gemacht werden kann.
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Vielen Dank. – Frau Kollegin Wittmann, Sie haben eine Nachfrage. Bitte.
Mechthilde Wittmann (CDU/CSU):
Vielen Dank. – Herr Minister, ich darf Ihre Antwort kurz ergänzen: Dass es nicht zur Verjährung kam, lag nur daran, dass im Nachhinein von der damaligen Bundesregierung ein Gesetz verabschiedet wurde, das die Verjährung quasi kassiert hat. Nur deswegen ist der Hansestadt Hamburg kein Schaden entstanden.
Es gab ein Gutachten zur verfassungsrechtlichen Einschätzung, das das Bundeskanzleramt im April 2023 hat erstellen lassen. Ich möchte Sie zum einen fragen, ob auch Sie dieses Gutachten kennen. Und zum anderen möchte ich Sie gerne fragen, wie es denn sein kann, dass das Bundeskanzleramt ein Gutachten erstellen lässt, wenn das nach Ihrem Dafürhalten überhaupt keine Angelegenheit des Bundes ist?
Wolfgang Schmidt, Bundesminister für besondere Aufgaben:
Auch da muss ich Sie darauf hinweisen, dass das, was Sie erzählen, leider nicht der Wahrheit entspricht. Die Veränderung der Verjährungsregeln ist im Juni 2017 erfolgt, um für bis dahin noch nicht verjährte Tatbestände die Verjährung im Fall von Steuerhinterziehung auf zehn Jahre zu verlängern und die sogenannte Zahlungsverjährungsfrist an die Festsetzungsverjährungsfrist anzugleichen. Wir reden hier über Tatbestände aus dem Jahre 2016. Die Verjährung ist deswegen – das ist jetzt berichtet worden und auch vom Finanzgericht so festgestellt worden; Sie können das im Urteil des Landgerichts Bonn aus dem Jahre 2020 nachlesen – nicht eingetreten, weil das Finanzamt am 12. Dezember 2016 einen Änderungsbescheid an die Warburg Bank geschickt hat. Und dieser Änderungsbescheid hat diese fünfjährige Zahlungsverjährungsfrist erneut in Gang gesetzt. Ich weiß, dass das hier von interessierter Seite ständig anders berichtet wird. Aber ich fände es ganz gut, wenn wir wenigstens hier in diesem Hohen Hause bei den Fakten blieben“.
Rechtsanwalt Prof. Dr. Carsten Wegner, Berlin