Aus wistra 2/2024
Unterhändler von Rat und Europäischem Parlament haben am 12.12.2023 eine Einigung über den von der Europäischen Kommission am 25.5.2022 vorgelegten Vorschlag für eine Richtlinie über die Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten (COM[2022] 245 final; BR-Drucks. 281/22) erzielt (Ratsdokumente 5854/24). Der Kompromiss muss noch von beiden Organen bestätigt werden, um anschließend das förmliche Gesetzgebungsverfahren (Art. 294 AEUV) zu durchlaufen, womit jedenfalls noch vor den Anfang Juni 2024 anstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament zu rechnen ist. Nach ihrem Inkrafttreten (Art. 36) wird die Richtlinie innerhalb von zweieinhalb Jahren umzusetzen sein (Art. 32) und die bisher geltende Richtlinie 2014/42 über die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten ersetzen (Art. 35[1]).
Zum Richtlinienvorschlag s. Busch, wistra 2022, Register S. 54; Stellungnahme des Bundesrats nach §§ 3, 5 EUZBLG vom 16.9.2022 (BR-Drucks. 281/22 [Beschluss]); Bittmann / Spitzer / Tschakert / Wengenroth, NZWiSt 2023, 321; Zeder, JSt 2022, 449.
Der Einigung zwischen Rat und Europäischem Parlament ist der sog. Trilog vorausgegangen. Diesem „Dreiergespräch“ von Rat, Europäischem Parlament und Kommission lagen der Richtlinienvorschlag der Kommission, die vom Rat am 9.6.2023 festgelegte Allgemeine Ausrichtung (Ratsdokument 10347/23) und der Bericht des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE-Ausschuss) des Europäischen Parlaments vom 26.5.2023 (EP-Dokument A9-0199/2023) zugrunde. Das sich nunmehr anschließende förmliche Gesetzgebungsverfahren sieht vor, dass das Europäische Parlament seinen Standpunkt in erster Lesung festlegt und an den Rat übermittelt (Art. 294[3] AEUV). Billigt der Rat diesen Standpunkt, ist die Richtlinie in der Fassung des Europäischen Parlaments angenommen (Art. 294[4] AEUV). Der Rat (Ausschuss der Ständigen Vertreter) hat sich bei der Bestätigung des Trilog-Kompromisses am 18.1.2024 zugleich darauf festgelegt, dass er die auf Grundlage des Kompromisses in erster Lesung erfolgende Positionierung des Europäischen Parlaments billigen werde (Ratsdokument 5854/24).
Der Kompromisstext wird außerdem noch von Rat und Europäischem Parlament einer sprachjuristischen Prüfung unterzogen, bei der insbesondere die Nummerierung von Erwägungsgründen und Artikeln bereinigt wird. Der vorliegende Bericht beruht auf dem vorläufigen und nur in englischer Sprache vorliegenden Kompromisstext (Ratsdokument 5854/24).
1. Anwendungsbereich
Die Richtlinie gilt für die in Art. 2(1) aufgezählten „Eurocrimes“ einschließlich „Sanktionsstraftaten“ (Art. 2[1][p]), die nach der von der Kommission vorgeschlagenen „Richtlinie zur Definition von Straftatbeständen und Sanktionen bei Verstoß gegen restriktive Maßnahmen der Union“ zukünftig harmonisiert sind (COM[2022] 684 final; s. zu diesem Richtlinienvorschlag Busch, wistra 2023, H. 1 R8; zu der dazu inzwischen erfolgten politischen Einigung s. den Bericht in einem der nächsten Hefte). Ferner gilt die Richtlinie nach ihrem Art. 2(2) für die in Art. 1(1) des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität genannten Straftaten (= Straftaten mit einer Höchststrafe von mindestens vier Jahren), soweit sie im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangen werden. Die im Kommissionsvorschlag (dort Art. 2[2]) enthaltene Liste von OK-Straftaten, die unabhängig vom Strafrahmen in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen sollten, wurde im Trilog gestrichten und in unverbindlicher Form mit Ergänzungen in Erwägungsgrund 10 aufgenommen. Die Richtlinie ist auch anzuwenden auf Straftaten aus anderen Richtlinien, wenn diese auf die vorliegende Richtlinie verweisen (Art. 2[4]). Die Bestimmungen über das Aufspüren und die Ermittlung inkriminierter Gegenstände (Art. 4–10) gelten für sämtliche (nationale) Straftaten, die mit einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung von mindestens einem Jahr geahndet werden können (Art. 2[5]).
Die deutschen Regelungen über die Sicherstellung und Einziehung gelten ohnehin grundsätzlich für sämtliche Straftaten, so dass eine nach Delikten differenzierende Umsetzung nicht erforderlich erscheint (zu dem nur bei bestimmten Anlasstaten anwendbaren § 76a IV StGB s. sogleich unter 2).
2. Einziehungsvorschriften und begleitende Regelungen
Der Richtlinie liegt ein weiter Ertragsbegriff zugrunde, der im deutschen Recht eher dem „Herrühren“ (§§ 73b I, 76a IV, 261 I StGB) als dem „Erlangen“ (§ 73 I StGB) ähnelt. So gelten nach der unverändert gebliebenen Ertragsdefinition (Art. 3[1], Erwägungsgrund 13) auch Gegenstände, die nicht unmittelbar durch die Tat erlangt worden sind, sondern erst im Anschluss daran mit Taterträgen erworben oder vermischt wurden, und deren Nutzungen als „Tatertrag“. Dies entspricht Art. 2[1] bzw. Erwägungsgrund 11 der bisherigen Richtlinie 2014/42 (zur deutschen Rechtslage s. Fischer, 71. Aufl. 2024, § 73 StGB Rz. 28, 33). Bei der Vermischung sieht Erwägungsgrund 13 eine Beschränkung auf die Höhe des Schätzwerts der ursprünglichen Erträge vor. Tatwerkzeuge definiert Art. 3(3), der inhaltlich Art. 2(2) der Richtlinie 2014/42 entspricht.
Die Kategorie der Tatobjekte (§ 74 I StGB) kennt die neue Richtlinie ebenso wenig wie die bisherige Richtlinie 2014/42. Bei Sanktionsstraftaten (Art. 2[1][p]) richtet sich die Einziehung häufig auf sanktionsbetroffene Gegenstände, bei denen es sich meist um Tatobjekte handelt. Die Kommission hatte dazu in Art. 10 ihres separaten Vorschlags für eine Richtlinie zur Definition von Straftatbeständen und Sanktionen bei Verstoß gegen restriktive Maßnahmen der Union vorgesehen, dass sanktionsbetroffene Vermögensgegenstände „für die Zwecke der [nun vorliegenden] Richtlinie über die Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten als ‚Erträge‘ gelten“ (s. dazu Busch, wistra 2023, H. 1 R8), konnte sich damit aber nicht durchsetzen (s. dazu den Bericht in einem der nächsten Hefte).
Die Regelung der verurteilungsbasierten Einziehung in Art. 12(1) entspricht inhaltlich der bisherigen Richtlinie 2014/42 (dort Art. 4[1]). Bei der Wertersatzeinziehung (Art. 12[2]) wird – anders als im deutschen Recht (§ 74c StGB) – nicht zwischen Taterträgen und Tatmitteln differenziert (s. dazu aber Erwägungsgrund 23a, wonach berücksichtigt werden kann, „ob und inwieweit die verurteilte Person dafür verantwortlich ist, dass die Einziehung der Tatwerkzeuge nicht möglich ist“). Die Dritteinziehung (Art. 13) gilt dagegen nur für Erträge und deren Wertersatz und ist durch § 73b StGB im deutschen Recht bereits umgesetzt, das mit der in bestimmten Fällen möglichen Dritteinziehung von Tatmitteln (Art. 74a StGB) sogar über die Richtlinie hinausgeht (was nach Erwägungsgrund 46 zulässig ist). Der Vorschlag des Europäischen Parlaments, dass auch Tatmittel bei Dritten einzuziehen sind (EP-Dokument A9-0199/2023, Änderungsantrag 83), wurde nicht aufgegriffen. Die im deutschen Recht mögliche Dritteinziehung bei juristischen Personen (§§ 30 III, 17 IV OWiG, 73b StGB) dürfte von der Richtlinie nicht zwingend vorgegeben sein, die insoweit nur auf entsprechende Befugnisse nach nationalem Recht verweist (Erwägungsgrund 2b).
Der Anwendungsbereich der erweiterten Einziehung (Art. 14) war nach der geltenden Richtlinie 2014/42 (dort Art. 5[2]) auf einen kleineren Kreis von Anlasstaten beschränkt und wird jetzt auf alle profitgeneigten Richtlinien-Straftaten mit einer Strafandrohung von mindestens vier Jahren (Art. 14[1][3], Art. 2[1]–[4]) erweitert. Für die Einziehung ist weiterhin die volle Überzeugung des Gerichts von der Herkunft des Gegenstands aus (irgend-)einer Straftat erforderlich (Art. 14[1], Erwägungsgrund 25). In Deutschland ist die erweiterte Einziehung (§ 73a StGB) seit der Reform von 2017 ohnehin bei allen Straftaten anwendbar (zu der bei § 73a StGB ausgeschlossenen Einziehung von Nutzungen und Surrogaten s. Matt/Renzikowski/Altenhain/Fleckenstein, 2. Aufl. 2020, StGB § 73a Rz. 4; BGH, Beschl. v. 17.4.2019 – 5 StR 603/18, NStZ 2020, 661 f.; BGH, Beschl. v. 26.5.2021 – 5 StR 529/20; zur Möglichkeit einer Wertersatzeinziehung in diesen Fällen s. Tschakert, wistra 2022, 309).
Die Einziehung ohne vorherige Verurteilung (Art. 15) wird gegenüber der bisherigen Richtlinie 2014/42 ebenfalls ausgeweitet und ist nicht nur wie dort (Art. 4[2]) bei Krankheit oder Flucht des Betroffenen vorgeschrieben, sondern auch bei den Verfolgungshindernissen Tod, Immunität, Amnestie und Verjährung. Wie bei § 76a I-III StGB muss das Gericht (voll) davon überzeugt sein, dass die Voraussetzungen für die Einziehung im Übrigen vorliegen (Art. 15[2]), wobei die Formulierung, dass die Tatwerkzeuge oder Vermögensgegenstände aus Straftaten herrühren oder damit unmittelbar oder mittelbar verbunden sein müssen, etwas unklar ist und angesichts der Definition von „Ertrag“ und „Tatwerkzeug“ in Art. 3(2)(3) überflüssig erscheint. Die Vorschrift gilt nur für solche Richtlinienstraftaten nach Art. 2(1)-(4), die profitgeneigt sind (Art. 15[2]), und in Verjährungsfällen ist eine Einziehung nur vorgeschrieben, falls die (nationale) Verjährungsfrist weniger als 15 Jahre beträgt und abgelaufen ist (Art. 15[1][f]). Auch hierüber können die Mitgliedstaaten nach Erwägungsgrund 46 hinausgehen (so wie dies in Deutschland bereits der Fall ist). Die Einziehung ist gleichermaßen vorgesehen für Tatertrag und Tatwerkzeuge, deren Einziehung das deutsche Recht in Verjährungsfällen aus Verhältnismäßigkeitsgründen (die auch nach der Richtlinie zu beachten sind, s. Erwägungsgrund 28a) ausschließt (§ 76a II StGB).
Gegenüber der Richtlinie von 2014 neu ist die Einziehung von Vermögen unklarer Herkunft im Zusammenhang mit kriminellen Aktivitäten (Art. 16), für die das deutsche Recht mit seinem § 76a IV StGB Ideengeber gewesen sein dürfte (für Übersicht über die Regelungsmodelle in den Mitgliedstaaten s. das Kommissionspapier SWD(2019) 1050 final vom 12.4.2019). Die Anwendung einer Einziehungsbefugnis nach Art. 16 ist zu eröffnen, wenn ein Vermögensgegenstand in einem OK-Verfahren sichergestellt worden ist, was § 76a IV 3 Nr. 1 Buchst. b StGB bereits umsetzt. In einer für die europäische Kompromissfindung typischen Regelungstechnik ist diese Voraussetzung in Art. 16(4) als Option formuliert. Während Art. 16(1)(3) eine Anwendung der Vorschrift bereits weitergehend dann verlangt, wenn ein Vermögensgegenstand wegen (irgend-)einer profitgeneigten Richtlinien-Straftat mit einer Höchststrafe von mindestens vier Jahren auch nur „festgestellt“ worden ist, gibt Art. 16(4) den Mitgliedstaaten die Option, die Umsetzung zusätzlich auf in OK-Verfahren sichergestellte Vermögensgegenstände zu beschränken. Zudem sieht die Richtlinie vor, dass für die Einziehung die Herkunft aus im OK-Rahmen begangenen profitgeneigten Straftaten feststehen muss (Art. 16[1]), was hinter der deutschen Regelung zurückbleibt, die jegliche kriminelle Herkunft ausreichen lässt. Die Einziehung nach Art. 16 ist gegenüber den Einziehungsbefugnissen nach Art. 12–15 subsidiär (Art. 16[1], Erwägungsgrund 28).
Die Richtlinie verlangt keine Beweislastumkehr oder Absenkung von Beweisanforderungen, sondern schreibt nur vor, dass bei der Überzeugungsbildung alle Umstände des Falles zu berücksichtigen sind einschließlich einer Diskrepanz zwischen dem Wert des sichergestellten Vermögens und dem legalen Einkommen des Betroffenen, dem Fehlen einer plausiblen legalen Vermögensherkunft und OK-Verbindungen des Betroffenen (Art. 16[2]), was weitgehend § 437 StPO entspricht, dessen Auslegung und Auswirkungen freilich umstritten sind (vgl. El-Ghazi / Marstaller / Zimmermann, NZWiSt 2021, 297 ff.; MünchKomm/StPO/Scheinfeld/Langlitz, 2019, § 437 Rz. 9). Der in Erwägungsgrund 28 des Kommissionsvorschlags enthaltene mehrdeutige Passus, wonach die Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen von den Betroffenen „einen Nachweis verlangen [sollten], dass die betreffenden Vermögensgegenstände aus rechtmäßigen Tätigkeiten stammen“, ist entfallen.
Die Regelungen zum Aufspüren (Art. 4) und Sicherstellen (Art. 11) von Vermögenswerten bringen nur wenige Neuerungen (s. aber sogleich zu den Befugnissen der Vermögensabschöpfungsstellen). Die Regelungen über Aufspüren und Ermittlung (Kap. II) gelten für alle Straftaten nach nationalem Recht (Art. 2[5]), also nicht nur für Richtlinien-Straftaten nach Art. 2(1)-(4). Finanzermittlung sind bei allen profitgeneigten Straftaten unverzüglich einzuleiten, können aber auf OK-Verfahren beschränkt werden (Art. 4[2]). Auch Wertgrenzen dürfen dafür festgelegt werden (Erwägungsgrund 14).
Die Regelungen der Richtlinie gelten auch für Sanktionsstraftaten (Art. 2[1][p]). Die im Kommissionsvorschlag (dort Art. 4[2]) vorgesehene Vorgabe, dass die Regelungen über das Aufspüren von Vermögenswerten darüber hinaus auch für die Verhütung, Aufdeckung und Untersuchung solcher Straftaten anzuwenden sind, ist entfallen. Klargestellt wird in Art. 4(1a), dass zu den nach Art. 4(1) aufzuspürenden Vermögensgegenstände auch wegen Sanktionsstraftaten sicherzustellende bzw. einzuziehende Gegenstände gehören.
Zu einer Verwendung von eingezogenem Vermögen für soziale Zwecke („social re-use“) werden die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, sondern nur ermutigt (Art. 18a[1]). Bei Einziehung aufgrund von Sanktionsstraftaten sollen die Mitgliedstaaten die Vermögensgegenstände auch zugunsten von Staaten (wie etwa der Ukraine) verwenden dürfen, deren Situation Anlass für die Sanktionsverhängung war (Art. 18a[2]). Die Budget-Hoheit der Mitgliedstaaten bleibt davon unberührt (Erwägungsgrund 28j).
3. Vermögensabschöpfungsstellen
Die Vermögensabschöpfungsstellen (Art. 5) sollen die grenzüberschreitende Zusammenarbeit erleichtern und mussten von den Mitgliedstaaten schon aufgrund des Ratsbeschlusses 2007/845/JI von 2007 eingerichtet werden; in Deutschland sind dies BKA und BfJ (BT-Drucks. 19/28164, 2). Die Mitgliedstaaten können eine oder mehrere solcher Stellen einrichten bzw. bestehende Strafverfolgungsbehörden mit dieser Aufgabe betrauen (Erwägungsgrund 15b) und müssen zudem maximal zwei Kontaktstellen benennen, die die Zusammenarbeit in grenzüberschreitenden Fällen erleichtern sollen und ihrerseits nicht über die Befugnisse von Vermögensabschöpfungsstellen verfügen müssen (Art. 34[2]). Nach der Neuregelung müssen die Vermögensabschöpfungsstellen zukünftig selbst vermögenssichernde Sofortmaßnahmen ergreifen können (Art. 11[3]), die aber nur erforderlich sind, solange keine Sicherstellungsanordnung ergangen ist (Art. 11[2], Erwägungsgrund 20).
Der im Kommissionsvorschlag vorgesehene und vom Bundesrat in seiner Stellungnahme (BR-Drucks. 281/22 [Beschluss], Nr. 2–6) kritisierte direkte und sofortige Zugriff der Vermögensabschöpfungsstellen auf erforderliche Informationen von Steuerbehörden wurde ebenso wie der Zugriff auf Sozialdaten und Strafverfolgungsinformationen eingeschränkt. Er darf von einem begründeten Ersuchen abhängig gemacht und bei offensichtlicher Unverhältnismäßigkeit abgelehnt werden (Art. 6[3][5], s. auch die Verhältnismäßigkeitsanforderung in Art. 7[1]).
Die Vermögensabschöpfungsstellen müssen umfassend und fristgebunden mit Vermögensabschöpfungsstellen anderer Mitgliedstaaten Informationen austauschen (Art. 9, 10), die dann nach nationalen Verfahrensvorschriften als Beweismittel in gerichtliche Strafverfahren eingeführt werden können müssen, wenn die zuliefernde Vermögensabschöpfungsstelle dem nicht widersprochen hat (Art. 9[4]). Bei Sanktionsverstößen sollen die Vermögensabschöpfungsstellen anders als im Kommissionsvorschlag (s. dort Art. 5[2][d][3][4]) nur noch auf Ersuchen einer zuständigen Behörde und unter der Voraussetzung tätig werden müssen, dass begründete Anhaltspunkte für eine Sanktionsstraftat vorliegen, womit nach deutschem Recht die Schwelle eines Anfangsverdachts überschritten und ohnehin eine Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft gegeben ist.
4. Vermögensverwaltung
Zur effizienteren Verwaltung von sichergestelltem und eingezogenem Vermögen müssen die Mitgliedstaaten Vermögensverwaltungsstellen Asset Management Offices) schaffen (Art. 21), die entweder selbst für die Vermögensverwaltung zuständig sind oder andere Behörden darin unterstützen. Die Vorgabe im Kommissionsvorschlag (dort Art. 19[2]), dass vor jeder Sicherstellung die etwaigen Kosten der Vermögensverwaltung zu bewerten sind, ist entfallen. Die vorzeitige Verwertung ist in Art. 20 geregelt. Die Mitgliedstaaten werden anders als im Kommissionsvorschlag (s. dort Art. 20[3]) nicht verpflichtet, einen Rückerwerb durch Tatbeteiligte zu verhindern, sondern nur noch dazu ermutigt (Erwägungsgrund 28n).
5. Rechtsbehelfe und Verfahrensgarantien
Regelungen zu rechtlichem Gehör, Verteidigung und Rechtsbehelfen sind nun in Art. 23 konzentriert. Die in Art. 23(5) des Kommissionsvorschlags vorgesehene Härtefallklausel, die anders als das deutsche Recht eine Härtefallprüfung schon bei der Einziehungsentscheidung und nicht erst bei der Vollstreckungsentscheidung (s. § 459g V StPO) verlangt hätte, ist entfallen. Erwägungsgrund 35 erlaubt eine Härtefallprüfung bei der Einziehungs- und Vollstreckungsentscheidung (zur Verhältnismäßigkeit s. auch Erwägungsgrund 28a).
6. Strategien, Ressourcen, Register, Statistiken und Netzwerk
Die Mitgliedstaaten müssen sich nationale Vermögensabschöpfungsstrategien geben und diese alle fünf Jahre aktualisieren (Art. 24; s. dazu die kritische Stellungnahme des Bundesrats, BR-Drucks. 281/22 [Beschluss], Nr. 7). Sie sind nach Art. 25 außerdem verpflichtet, notwendige personelle und sachliche Ressourcen vorzuhalten. Statistiken sollen die Mitgliedstaaten mit gewissen Einschränkungen umfassend auf zentraler Ebene führen (Art. 27). Nach dem Willen der Kommission hätten die Regelung der Einzelheiten der statistischen Datenerhebung auf sie delegiert werden sollen (s. Kommissionsvorschlag Art. 27[3], 30), wozu es nun aber nicht gekommen ist. Die von der Kommission angestrebten und vom Bundesrat in seiner Stellungnahme (BR-Drucks. 281/22 [Beschluss], Nr. 9) kritisierten zentralen Register mit Informationen über alle nach der Richtlinie sichergestellten oder eingezogenen Vermögenswerte sind nach dem Kompromiss nicht verpflichtend (Art. 26). Gegenüber dem Kommissionsvorschlag neu hinzugekommen ist ein von der Kommission zu errichtendes Zusammenarbeitsnetzwerk der Vermögensabschöpfungsstellen (Art. 27a), das auf einen Vorschlag des Europäischen Parlaments zurückgeht (s. EP-Dokument A9-0199/2023, Änderungsantrag 145).
Oberstaatsanwalt beim BGH (Referatsleiter im BMJ) Markus Busch LL.M. (Columbia University), Berlin
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