Logo C.F. Müller
Hinweisgeberschutzgesetz

Aus wistra 9/2022

Regierungsentwurf eines Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden 

Das Bundeskabinett hat am 27.7.2022 den vom BMJ vorgelegten Entwurf eines Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, beschlossen (HinSchG-E; BR-Drucks. 372/22) und für besonders eilbedürftig erklärt (Art. 76 II 4 GG; zu Ressortabstimmung und Zeitplan s. auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion CDU/CSU, „Umsetzung der sogenannten Whistleblower-Richtlinie“, BT-Drucks. 20/1555).

Gegenüber dem Referentenentwurf vom 14.4.2022 (s. dazu Ahrens / Miege MMR-Aktuell 2022, 448308; Busch wistra 2022, H. 5, R8; Gerdermann ZRP 2022, 98; Petrasch DRZ 2022, 264; Thüsing DB 2022, 1066) haben sich – für ein so kontroverses Vorhaben – nur relativ geringfügige Änderungen ergeben; zu nennen sind insbesondere:

  • Sachlicher Anwendungsbereich (§ 2 HinSchG-E): Das Gesetz soll nunmehr auch auf Verstöße gegen nationales Kartellrecht anwendbar sein (§ 2 I Nr. 8, II Nr. 2 HinSchG-E mit Folgeänderung in § 22 I HinSchG-E – BKartA als externe Meldestelle). Außerdem bezieht der Regierungsentwurf Verstöße gegen Vorschriften über Pflanzenschutzmittel und gegen Vorschriften zum Schutz geografischer Angaben für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel ein (§ 2 I Nr. 3 Buchst. k HinSchG-E).
  • Vorrang von Sicherheitsinteressen: Nach dem Referentenentwurf sollte das Gesetz nicht für Meldungen (§ 3 IV HinSchG-E) und Offenlegungen (§ 3 V HinSchG-E) von eingestuften Informationen (Verschlusssachen) gelten (kritisch dazu Kölbel / Herold ZStW 2022, 377, 390). Auch nach dem Regierungsentwurf sollen Geheimhaltungsvorschriften dem Recht der hinweisgebenden Person auf eine Meldung vorgehen (Begründung, BR-Drucks. 372/22, 76). Diese Ausnahme schränkt der Regierungsentwurf für Meldungen an interne Meldestellen nunmehr unter folgenden Voraussetzungen ein (§ 5 II Nr. 1 HinSchG-E): es handelt sich um die Meldung eines strafbaren Verstoßes (§ 2 I Nr. 1, § 3 II HinSchG-E), die jeweilige interne Meldestelle ist nicht nach § 14 I HinSchG-E „outgesourct“, es handelt sich um eine Verschlusssache des Bundes, die nicht höher als „VS-Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft ist. Meldungen von VS-Sachen an externe Meldestellen sowie Offenlegungen (§ 32 HinSchG-E) von VS-Sachen sind aber weiterhin nicht geschützt (Begründung, BR-Drucks. 372/22, 76). Auch die Einschränkungen aus § 5 I HinSchG-E bleiben unberührt (Begründung, BR-Drucks. 372/22, 76), so dass bspw. bei Geheimdienstinformationen (§ 5 I Nr. 2 HinSchG-E) auch interne Meldungen nicht nach dem Gesetz geschützt sind.
  • Vertraulichkeit: In § 9 II Nr. 2, IV Nr. 5 HinSchG-E wird klargestellt, dass Informationen über hinweisgebende Personen bzw. über von der Meldung betroffene Personen auch aufgrund einer Anordnung in einem einer Meldung nachfolgenden verwaltungsbehördlicher Bußgeldverfahren herausgegeben werden dürfen. Das BKartA als externe Meldestelle (§ 22 HinSchG-E) darf entsprechende Informationen an seine zuständigen Fachabteilungen sowie an die Landes- bzw. europäischen Kartellbehörden weitergeben (§ 9 II Nr. 5, IV Nr. 8 HinSchG-E). Informationen über von der Meldung betroffene Personen dürfen, wie § 9 IV Nr. 1 HinSchG-E nunmehr klarstellt, auch bei deren Einwilligung an die jeweils zuständige Stelle weitergegeben werden.
  • Pflicht zur Errichtung interner Meldestellen: In § 12 II 1 HinSchG-E wurde der Begriff „Organisationseinheit“ gestrichen, der vor allem bei Bund und Ländern als Beschäftigungsgeber relevant ist (§ 12 II 2 HinSchG-E) und dort auch beibehalten wird (s. Gortan NZA 2022, 838, nach dem die Erwähnung in § 12 II 1 RefE ein gesetzgeberisches Versehen war).
  • Folgemaßnahmen der internen Meldestelle: Ausdrücklich geregelt wird, dass die interne Meldestelle das Verfahren „zwecks weiterer Untersuchungen“ nicht nur an eine zuständige Behörde, sondern auch an eine bei dem Beschäftigungsgeber oder bei der jeweiligen Organisationseinheit für interne Ermittlungen zuständige Arbeitseinheit abgeben kann (§ 18 I Nr. 4 Buchst. a HinSchG-E).
  • Abschlussmitteilung der externen Meldestelle: Neu ist zudem, dass die externe Meldestelle (§ 27 HinSchG-E) ihre Abschlussmitteilung unter Wahrung der Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers und der von der Meldung betroffenen bzw. darin genannten Personen dem Beschäftigungsgeber mitteilen soll, wenn sie, um dem Verstoß nachzugehen (§ 29 II Nr. 1 HinSchG-E), den Beschäftigungsgeber zuvor kontaktiert hatte.
  • Anonyme Meldungen: Wie der Referentenentwurf sieht der Regierungsentwurf keine Verpflichtung zur Entgegennahme und Bearbeitung anonymer Meldungen vor. Damit soll einer Überlastung des neuen Hinweisgeberschutzsystems vorgebeugt werden. Anonyme Hinweisgeber sollten nach dem Referentenentwurf aber geschützt werden, wenn ihre zunächst verdeckte Identität bekannt wird (Referentenentwurf, S. 37), was auch weiterhin gilt (Begründung, BR-Drucks. 372/22, 90). In § 16 I 3, 4 HinSchG-E heißt es jetzt außerdem: „Die interne Meldestelle sollte auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten, soweit dadurch die vorrangige Bearbeitung nichtanonymer Meldungen nicht gefährdet wird. Es besteht allerdings keine Verpflichtung, die Meldekanäle so zu gestalten, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen.“ Und für externe Meldestellen: „Vorbehaltlich spezialgesetzlicher Regelungen besteht keine Verpflichtung, die Meldekanäle so zu gestalten, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen. Die externe Meldestelle sollte anonym eingehende Meldungen allerdings bearbeiten, soweit dadurch die vorrangige Bearbeitung nichtanonymer Meldungen nicht gefährdet wird“ (§ 27 I 2 HinSchG-E). Programmatisch führt die Begründung des Regierungsentwurfs für interne Meldestellen dazu aus: „Systeme zur Abgabe anonymer Meldungen sollten aber nicht als Belastung angesehen werden, sondern ihre positiven Effekte in Betracht gezogen werden. Sie sind eine Möglichkeit, zusätzliche Hinweise zu erhalten und so noch mehr Verstöße schnell intern abstellen zu können[,] um möglichen Schaden für den Beschäftigungsgeber zu vermeiden oder zu begrenzen. Gerade bei einer internen Meldung besteht die Gefahr, dass eine hinweisgebende Person von einem Hinweis absieht, da sie befürchtet, dass die Vertraulichkeit der Meldung nicht gewahrt wird. Systeme für die Abgabe anonymer Meldungen können so die Attraktivität des internen Meldekanals erhöhen, so dass hinweisgebende Personen von einer direkten Meldung an eine externe Meldestelle absehen“ (Begründung, BR-Drucks. 372/22, 90).
  • BKartA als externe Meldestelle (§ 22 HinSchG-E): Mit Blick auf die Zuständigkeit des BKartA für die Festsetzung von Verbandsgeldbußen auch bei bestimmten Straftaten (§ 83 II GWG, § 30 IV 2 OWiG) führt die Begründung nunmehr aus: „Für Sachverhalte, in denen eine Straftat zugleich auch den Tatbestand des § 81 Absatz 1, 2 Nummer 1 und Absatz 3 GWB verwirklicht, kann die Meldung umfassend gegenüber dem BKartA als externe Meldestelle erfolgen. Das BKartA ist für die Verfolgung von Submissionsabsprachen gegenüber Unternehmen gemäß § 82 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 GWB zuständig und informiert im Falle einer Meldung die für die Verfolgung der natürlichen Person zuständige Staatsanwaltschaft“ (Begründung, BR-Drucks. 372/22, 94). Außerdem soll sich die hinweisgebende Person jederzeit und unabhängig von dem Ausgang des Verfahrens über eine interne Meldung an das BKartA wenden können. „Auch wenn sie bereits ihr Wahlrecht nach § 7 Absatz 1 Satz 1 für den internen Meldekanal ausgeübt hat, muss sie nicht den Abschluss des dadurch in Gang gesetzten internen Meldeverfahrens abwarten“ (Begründung, BR-Drucks. 372/22, 94).
  • Geldbußen: Bei der Verletzung der Vertraulichkeitspflicht (§ 8 I 1 HinSchG) wird deutlich zwischen Vorsatz und Leichtfertigkeit einerseits (§ 40 III HinSchG-E) und Fahrlässigkeit andererseits (§ 40 IV HinSchG-E) differenziert. Bei Vorsatz beträgt die Geldbuße weiterhin 100.000 € und bei Leichtfertigkeit weiterhin 50.000 € (§ 40 VI 1 HinSchG-E, § 17 II OWiG). Für juristische Personen und Personenvereinigungen verzehnfachen sich die Beträge auf 1 Mio. € bzw. 500.000 € (§ 40 VI 2 HinSchG-E, § 30 II 3, § 17 II OWiG). Bei fahrlässiger Vertraulichkeitsverletzung (§ 40 IV HinSchG-E) beträgt die Geldbuße nur noch 10.000 € (bei juristischen Personen und Personenvereinigungen: 100.000 €), § 40 IV 2, 3, § 30 II 3 OWiG. Die Begründung erklärt diese Spreizung damit, dass der „Bußgeldrahmen für Verletzungen des Vertraulichkeitsgebots nach § 8 Absatz 1 Satz 1 [...] aufgrund der zentralen Bedeutung dieses Gebots eine wirksame Sanktionierung entsprechender Verstöße ermöglichen [muss]. Gleichzeitig darf die Bußgeldandrohung jedoch nicht dazu führen, dass hinweisbearbeitende Personen aus Furcht vor einer Geldbuße wegen Verletzung des Vertraulichkeitsgebots Meldungen nicht mehr konsequent nachgehen. Für Fälle vorsätzlicher Begehung nach Absatz 3 ist daher eine Höchstgeldbuße von 100.000 € vorgesehen. Für leichtfertiges Handeln beträgt die Höchstgeldbuße aufgrund des § 17 Absatz 2 OWiG nur die Hälfte des für die vorsätzliche Begehung vorgesehenen Höchstbetrages, also 50.000 €. Bei (einfach) fahrlässiger Begehung nach Absatz 4 ist der Bußgeldrahmen aus dem genannten Grund auf 10.000 € begrenzt“ (BR-Drucks. 372/22, 113). Die Verzehnfachung bei Verbandsgeldbußen wird (wie schon im Referentenentwurf) damit begründet, dass „dies [...] angemessen [ist,] da die Schwere der Verfehlung vergleichbar den Fällen einer vorsätzlichen Aufsichtspflichtverletzung nach § 130 OWiG ist, in deren Folge es zu Straftaten kommt und für die eine Verweisung auf § 30 Absatz 2 Satz 3 OWiG ebenfalls vorgesehen ist. Abzustellen ist hierbei insbesondere darauf, dass zu vermeiden ist, dass betroffene Unternehmen eine Geldbuße mangels abschreckender Höhe in Kauf nehmen. Fälle in der Vergangenheit haben gezeigt, dass unter Umständen ein großes Interesse daran bestehen kann, hinweisgebende Personen von einer Meldung oder Offenlegung abzuhalten. Dies gilt vor allem dann, wenn die Unternehmensleitung oder ganze Bereiche eines Unternehmens in systematische Verstöße verwickelt sind. In diesen Fällen kann die Aufdeckung von Verstößen zu erheblichen Umsatzeinbußen oder auch Schadensersatzforderungen gegen das Unternehmen führen. Seitens der Verantwortlichen kann es folglich zu einem erheblichen Interesse daran kommen, Meldungen zu verhindern, Repressalien zu ergreifen oder Kenntnis von vertraulichen Meldungen zu erlangen. Diese Maßnahmen können unter Umständen sogar ergriffen werden, um zukünftige potentielle hinweisgebende Personen von einer Meldung oder Offenlegung abzuhalten. Vor diesem Hintergrund ist der Verweis auf § 30 Absatz 2 Satz 3 OWiG in den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1 und 3 angemessen“ (BR-Drucks. 372/22, 113).
  • Verordnungsermächtigung: Für die in § 41 HinSchG-E vorgesehene Verordnung, die insbesondere die nähere Ausgestaltung der Organisation und des Verfahrens der externen Meldestelle des Bundes (also des BfJ) regeln soll, braucht das BMJ jetzt das Einvernehmen von BMAS, BMI, BMWK und BMG. Die Verordnung könnte auch als Standort für Regelungen darüber in Betracht kommen, unter welchen Voraussetzungen und wann das BfJ Meldungen von strafbaren Verstößen (§ 2 I Nr. 1 HinSchG-E) an die Staatsanwaltschaften „zwecks weiterer Untersuchung“ (§ 29 II Nr. 4 HinSchG-E) weiterzuleiten hat.
  • Inkrafttreten: Während der Referentenentwurf den Zeitpunkt des Inkrafttretens offengelassen hatte, soll das Gesetz nach Art. 10 des Regierungsentwurfs drei Monate nach der Verkündung in Kraft treten. Das ist angesichts des bereits am 17.12.2021 abgelaufenen Umsetzungsfrist und des Vertragsverletzungsverfahrens keine Selbstverständlichkeit, gibt andererseits den zukünftigen Meldestellen aber Zeit, sich auf die neue Rechtslage einzustellen.

Oberstaatsanwalt beim BGH (Referatsleiter im BMJ) Markus Busch LL.M. (Columbia University), Berlin
Der Text gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Verfassers wieder.

 


Verlag C.F. Müller

zurück zur vorherigen Seite