Aus wistra 9/2022
In Bayern wurde gefragt, wie es die Staatsregierung vor dem Hintergrund der geltenden Vergabevorschriften bewertet, wenn Aufträge der öffentlichen Hand durch Kommunen ausgeschrieben werden und an der Formulierung der Ausschreibungstexte auch Mitarbeiter der Kommunen maßgeblich beteiligt sind, die später im Bieterwettbewerb (direkt oder indirekt über Gesellschaften) mitbieten und den Zuschlag erhalten, welche rechtlichen Grenzen einer solchen Verbindung von Ausschreibungserstellung und Zulassung zum Bieterwettbewerb gesetzt sind und welche Kontrollmechanismen bestehen, um in derartigen Konstellationen für Transparenz und fairen Wettbewerb zu sorgen.
Das Staatsministerium des Innern führt hierzu aus (Drs. 18/22487), dass die Vermeidung von Interessenkonflikten bei der Auftragsvergabe grundlegend für die Verhütung von Manipulationen im Vergabewesen und für die Sicherung des Vertrauens der Bevölkerung in die Rechtmäßigkeit des staatlichen Handelns ist. Die Verpflichtung, Interessenkonflikte im Vergaberecht zu vermeiden, ergebe sich bereits aus dem vergaberechtlichen Grundsatz der Transparenz. Für öffentliche Aufträge, deren Wert die EU-Schwellenwerte erreichen oder überschreiten, würden die Vorschriften der §§ 6, 7 der Vergabeverordnung (VgV) auch für Kommunen explizite und verbindliche Regelungen enthalten. Demnach bestehe ein Interessenkonflikt für Personen, die an der Durchführung des Vergabeverfahrens beteiligt sind oder Einfluss auf den Ausgang eines Vergabeverfahrens nehmen können, und die ein direktes oder indirektes finanzielles, wirtschaftliches oder persönliches Interesse haben, das ihre Unparteilichkeit und Unabhängigkeit im Rahmen des Vergabeverfahrens beeinträchtigen könnte.
Dabei werde das Bestehen eines Interessenkonflikts beispielsweise dann vermutet, wenn die vorstehend genannten Personen Bewerber oder Bieter sind. Ein Interessenkonflikt, der durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam beseitigt werden kann, könne gem. § 124 Abs. 1 Nr. 5 GWB zu jedem Zeitpunkt zum Ausschluss eines Unternehmens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren führen. Darüber hinaus seien öffentliche Auftraggeber bereits bei der Vorbereitung des Vergabeverfahrens gem. § 7 Abs. 1 VgV verpflichtet, einer Wettbewerbsverzerrung, die durch die Beteiligung eines Bieters (beispielsweise bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen) entstehen kann, durch angemessene Maßnahmen entgegenzuwirken. Hier käme beispielsweise die Unterrichtung der anderen am Vergabeverfahren teilnehmenden Unternehmen über alle einschlägigen Informationen, die im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Ausschreibungstexte relevant sind, in Frage. Können solche Maßnahmen eine Wettbewerbsverzerrung nicht ausschließen, komme auch hier gem. § 124 Abs. 1 Nr. 6 GWB ein Ausschluss des Bieters von der Teilnahme am Vergabeverfahren in Betracht.
Über das genannte Transparenzgebot im Vergabeverfahren seien die Grundsätze der genannten Bestimmungen auch auf Verfahren unterhalb der EU-Schwellenwerte übertragbar. Weitere Regelungen zur Verhütung von Manipulationen im Vergabewesen und zur Sicherstellung eines jederzeit transparenten und nachvollziehbaren Verfahrens ergeben sich aus der Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung von Korruption in der öffentlichen Verwaltung (Korruptionsbekämpfungsrichtlinie – KorruR), die kommunalen Auftraggebern zur Anwendung empfohlen ist.
Kontrollmechanismen böten für Aufträge oberhalb der EU-Schwellenwerte bei Verstößen gegen die Vergabebestimmungen die gesetzlich verankerten formellen Nachprüfungsverfahren vor den Vergabekammern und Gerichten. Unterhalb der Schwellenwerte unterlägen die Verfahren kommunaler Auftraggeber der staatlichen Rechtsaufsicht. Aber auch interne Organisationsmaßnahmen dienten der Kontrolle. Das Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration (StMI) habe ein Rundschreiben zum Thema „Interessenkonflikte im Vergaberecht“ des Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie an die Kommunen weitergeleitet und empfohlen, entsprechend zu verfahren. Darin werde allen Ressorts der Staatsregierung empfohlen, die an der Durchführung von Vergabeverfahren beteiligten Personen für die vergaberechtlichen Regelungen zu Interessenkonflikten durch geeignete organisatorische Maßnahmen zu sensibilisieren. Dazu sei zur Vermeidung von Interessenkonflikten i.S.d. § 6 VgV ein Muster einer Eigenerklärung zur Verfügung gestellt worden, die von beteiligten Personen vor Beginn eines Vergabeverfahrens eingeholt und der Vergabedokumentation beigefügt werden kann. Außerdem habe das StMI Verhaltenskodizes gegen Korruption sowohl für Mitarbeiter als auch für Führungskräfte erarbeitet.
Rechtsanwalt Prof. Dr. Carsten Wegner, Berlin