Aus wistra 12/2021
Im Bundestag wurde zur Umsetzung des Informationsaustauschs in Steuersachen in den Jahren 2019/2020 berichtet (BT-Drs. 19/32236). Im Rahmen seiner Fragen 1–7 ersuchte der Fragesteller die Bundesregierung dabei um statistische Angaben, die Auskunft über den Umfang des zwischenstaatlichen Informationsaustauschs in Steuersachen geben, der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und anderen Staaten und Gebieten in zurückliegenden Zeiträumen stattgefunden hat. Soweit die Fragen sich nicht bereits auf den Informationsaustausch mit einem konkret benannten Staat beziehen, wird die Bundesregierung gebeten darzulegen, zu welchem Anteil der Informationsaustausch mit einzelnen Staaten und Gebieten zu dem Gesamtumfang des Informationsaustauschs beigetragen hat. Die Bundesregierung kann – so wird in der Antwort dargestellt – diese staatenspezifischen Auskünfte in vereinzelten Fällen nicht oder nur eingeschränkt erteilen, um andernfalls unmittelbar drohende, schwerwiegende Nachteile für die zwischenstaatliche Verwaltungszusammenarbeit abzuwenden.
„Die deutschen Finanzbehörden leisten zwischenstaatliche Amtshilfe durch Informationsaustausch auf Grundlage von innerstaatlich anwendbaren völkerrechtlichen Vereinbarungen und Rechtsakten der EU (vgl. § 117 Absatz 2 der Abgabenordnung – AO). Der automatische Austausch von Informationen über Finanzkonten nach dem gemeinsamen Meldestandard der OECD (Common Reporting Standard – CRS) erfolgte zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Staaten, hinsichtlich derer in der nachfolgenden Beantwortung keine Auskünfte gemacht werden, auf Grundlage entweder der EU-Amtshilferichtlinie (Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15.Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG), dem Änderungsprotokoll zu dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Regelungen, die den in der Richtlinie 2003/ 48/EG des Rates im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen festgelegten Regelungen gleichwertig sind (Abkommen EU-CH), dem Änderungsprotokoll zu dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik San Marino über Regelungen, die denen der Richtlinie 2003/48/EG des Rates im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen gleichwertig sind (Abkommen EU-SM), oder der Mehrseitigen Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten (Mehrseitige Vereinbarung), die ihrerseits auf dem Übereinkommen vom 25. Januar 1988 über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen in der durch das Protokoll vom 27. Mai 2010 geänderten Fassung (Übereinkommen) fußt (vgl. Artikel 6 des Übereinkommens). Der automatische Austausch von Informationen zu verbindlichen Auskünften, verbindlichen Zusagen und Vorabzusagen zu Verrechnungspreisen (Tax Rulings) bestimmt sich nach der Richtlinie (EU) 2015/2376 vom 8.Dezember 2015 (DAC 3) zur Änderung der EU-Amtshilferichtlinie.
Die Vertraulichkeit bildet einen fundamentalen Grundsatz der zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch im Steuerbereich und folgt dem Prinzip der Gegenseitigkeit.
Sämtliche dem Informationsaustausch zugrundeliegenden Abkommen, Übereinkommen und EU-Rechtsakte enthalten spezifische Bestimmungen, die dem Schutz der Vertraulichkeit dienen. Für den Informationsaustausch, der aufgrund der vorstehend konkret genannten Rechtsgrundlagen durchgeführt wurde, sind dies im Einzelnen:
- Artikel 16 der EU-Amtshilferichtlinie, umgesetzt in § 19 des Gesetzes über die Durchführung der gegenseitigen Amtshilfe in Steuersachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 26. Juni 2013 – EU-Amtshilfegesetz (BGBl. I S. 1809);
- Artikel 6 Absatz 1 bis 3 des Abkommens EU-CH;
- Artikel 6 Absatz 3 bis 5 des Abkommens EU-SM;
- § 5 Absatz 1 der Mehrseitigen Vereinbarung i. V. m. Artikel 22 Absatz 1 und 2 des Übereinkommens, in innerstaatliches Recht umgesetzt mit dem Gesetz zu der Mehrseitigen Vereinbarung vom 29. Oktober 2014 zwischen den zuständigen Behörden über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten vom 21. Dezember 2015 (BGBl. II S. 1630) bzw. dem Gesetz zu dem Übereinkommen vom 25. Januar 1988 über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen und zu dem Protokoll vom 27.Mai 2010 zur Änderung des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen vom 16. Juli 2015 (BGBl. II S. 966).
Die genannten Vertraulichkeitsbestimmungen dienen außer dem Schutz der berechtigten Interessen der von dem Informationsaustausch konkret betroffenen Personen (internationales Steuergeheimnis) auch der Gewährleistung der effektiven Arbeitsweise der beteiligten Steuerverwaltungen. Vor diesem Hintergrund unterliegen auch Metadaten über den Informationsaustausch (unter anderem Angaben zur Quantität und qualitativen Bewertung des Austausches, die sich auf einzelne Austauschbeziehungen zurückführen lassen, einschließlich dahingehender aggregierter statistischer Daten), die nicht eine konkrete Person betreffen, der Vertraulichkeit. Die Offenlegung dieser geschützten Informationen darf, von multilateral vereinbarten Verfahren wie den Peer Review-Prozessen abgesehen, nur erfolgen, wenn die der Offenlegung zugrundeliegenden Informationen nicht direkt oder indirekt mit einem Steuerpflichtigen in Verbindung gebracht werden können und im Vorfeld der Offenlegung mit den Staaten und Gebieten, die von ihr betroffen sind, das Einvernehmen erzielt worden ist, dass die Offenlegung die Arbeitsweise der jeweiligen Steuerverwaltungen nicht beeinträchtigt.
Soweit zu einzelnen Staaten oder Gebieten in der nachfolgenden Beantwortung keine Angaben gemacht werden, haben diese Staaten oder Gebiete unter Berufung auf die Geheimhaltungsbestimmung der jeweils einschlägigen Rechtsgrundlage für den Informationsaustausch der Offenbarung der Angaben im Rahmen der Beantwortung der vorliegenden Kleinen Anfrage des Deutschen Bundestages ausdrücklich widersprochen. In anderen Fällen hat der jeweilige Staat der Offenbarung nur unter näheren Bedingungen zugestimmt, die in der nachfolgenden Beantwortung angegeben sind. Einzelne Staaten stimmten der Offenbarung an den Deutschen Bundestag nur insofern zu, als die Beantwortung nicht öffentlich erfolgt und die Auskünfte als Verschlusssache nur einem begrenzten Personenkreis zur Einsicht gegeben werden. In diesen Fällen werden die konkreten Einzelangaben mit entsprechender Einstufung als „VS – Vertraulich“ an die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages übersandt.
Die Beachtung der Geheimhaltungsbestimmungen ist grundlegende Voraussetzung für die Bereitschaft der Staaten, an dem zwischenstaatlichen Informationsaustausch teilzunehmen. Die Vertraulichkeit gewährleistet damit eine effektive Amtshilfe, die wiederum den in Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz verankerten Grundsatz der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung durchsetzt. Würde die Bundesrepublik Deutschland die geltenden Vertraulichkeitsregeln nicht respektieren, indem es dem explizit zum Ausdruck gebrachten Geheimhaltungsinteresse ihrer Partnerstaaten zuwiderhandelt, würde die Kooperationsbereitschaft dieser Partner und mutmaßlich aller teilnehmenden Staaten und Gebiete massiv beeinträchtigt. Die langjährigen Anstrengungen zur Bekämpfung von Steuerflucht und Steuervermeidung durch die Mittel der internationalen Zusammenarbeit würden auf diese Weise unmittelbar konkret gefährdet.
Die Bundesregierung ist sich des verfassungsrechtlich verankerten Informationsrechts des Deutschen Bundestages bewusst. Nach Auffassung der Bundesregierung erlauben die nachfolgenden Angaben, die nahezu lückenlos die gestellten Fragen beantworten, dem Fragesteller, sich einen umfassenden Eindruck von dem Handeln der Bundesregierung zu machen und auf dieser Grundlage parlamentarische Kontrolle auszuüben. Die umfassenden Angaben erlauben es dem Fragesteller nach Meinung der Bundesregierung außerdem, Feststellungen zu etwaigen Entwicklungen der Angaben im mehrjährigen Vergleich zu treffen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass nur einzelne Angaben zurückgehalten werden, stünde die erhebliche Belastung für die bilateralen Beziehungen infolge ihrer zustimmungswidrigen Offenlegung in keinem angemessenen Verhältnis zu dem dadurch möglichen Erkenntnismehrgewinn.“
Rechtsanwalt Prof. Dr. Carsten Wegner, Berlin