Aus wistra 11/2021
Der Landesrechnungshof Hamburg hat sich in seinem Jahresbericht 2021 der Bauabzugsteuer gewidmet. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass die Finanzämter Freistellungsbescheinigungen oftmals zu Unrecht oder mit zu langer Geltungsdauer erteilen. Sie würden auch erteilte Bescheinigungen nicht überwachen. Die derzeit existierenden Vorgaben der Finanzbehörde – Steuerverwaltung – seien keine sachgerechte Ergänzung der mit den Ländern abgestimmten Vorgaben des Bundesministeriums der Finanzen. Darüber hinaus fehle es an praxisgerechten Arbeitshilfen.
„Mit dem Gesetz zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe wurde zur Sicherung der Steueransprüche gegen Bauunternehmer 2002 ein Steuerabzug an der Quelle eingeführt. Danach ist der Empfänger einer im Inland erbrachten Bauleistung verpflichtet, von der dem Bauunternehmer geschuldeten Gegenleistung 15% einzubehalten. Den Abzugsbetrag muss er beim Finanzamt anmelden und für Rechnung des Bauunternehmers dorthin abführen. Den Abzugsbetrag rechnet das Finanzamt auf die vom Bauunternehmer zu zahlenden Steuern an.
Die Pflicht zum Steuerabzug besteht nur, wenn der Empfänger der Bauleistung ein Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist. Sie entfällt, wenn der Bauunternehmer dem Leistungsempfänger eine im Zeitpunkt der Gegenleistung gültige Bescheinigung seines Finanzamts vorlegt, die den Leistungsempfänger von der Pflicht zum Steuerabzug befreit (Freistellungsbescheinigung).
Der Rechnungshof hat für die Prüfung eine repräsentative Stichprobe im Umfang von 463 Fällen gezogen. Bei einer Analyse der Stichprobe hat sich herausgestellt, dass sie 198 Fälle enthielt, die gelöscht werden sollten, tatsächlich aber nur unvollständig gelöscht worden waren. In weiteren 111 Fällen waren keine Anträge auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung gestellt worden. Beide Faktoren führten dazu, dass für die Prüfung letztendlich 154 Fälle verblieben. Auf dieser Grundlage hat der Rechnungshof in sämtlichen Regionalfinanzämtern wie auch im Finanzamt für Großunternehmen die Bearbeitung von Anträgen auf Erteilung geprüft.
Das Finanzamt hat dem Bauunternehmer auf Antrag eine Freistellungsbescheinigung zu erteilen, wenn der zu sichernde Steueranspruch nicht gefährdet erscheint. In diesem Fall ist eine Sicherung des Steueranspruchs durch Steuerabzug an der Quelle ausnahmsweise nicht erforderlich. Sobald der Steueranspruch gefährdet erscheint, ist die beantragte Bescheinigung zu versagen oder so zu befristen, dass die Gefährdung vernachlässigt werden kann. Auch wenn der Steueranspruch nicht gefährdet erscheint, werden Freistellungsbescheinigungen längstens für drei Jahre erteilt.
„Nachhaltige“ Steuerrückstände, aber auch die wiederholt unpünktliche oder ganz ausbleibende Abgabe von Steuererklärungen und -anmeldungen sind Indizien dafür, dass der aus künftigen Bauleistungen resultierende Steueranspruch gefährdet ist. Gibt es nach einer Betriebsgründung noch keine vergangenheitsbezogenen Indizien zur Beurteilung der Gefährdungslage, kann die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nur dazu dienen, dem Bauunternehmer aus dem Indizienmangel keinen Nachteil erwachsen zu lassen. Ihre Geltungsdauer muss deshalb – anders als in den übrigen Fällen – so weit verkürzt werden, dass eine erneute Prüfung stattfinden kann, sobald erstmals eine Beurteilung des Abgabe- und Zahlungsverhaltens möglich ist.
Der Rechnungshof hat festgestellt, dass 150 von 154 überprüften Anträgen auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung stattgegeben worden war. Nur in einem Fall war der Antrag abgelehnt worden. Damit war die Erteilung der beantragten Freistellungsbescheinigungen der Regelfall und die Versagung die seltene Ausnahme.“
Rechtsanwalt Prof. Dr. Carsten Wegner, Berlin