Aus wistra 10/2020
Zu kritischen Fragen betreffend die Cum-Ex-Ermittlungen in NRW führt das Finanzministerium aus (Drs. 17/3545), dass für die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren die zuständige Staatsanwaltschaft die „Herrin des Verfahrens“ ist. Das Ministerium der Justiz habe angemerkt, dass eine nachträgliche Recherche, wie viele Beschuldigte im März 2019 in Cum- Ex-Verfahren erfasst gewesen sind, technisch nicht möglich ist. Allerdings sei erstmals für die Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses am 25.9.2019 zur Anzahl der Beschuldigten mit einer Zahl von ca. 400 Beschuldigten reagiert worden. Aktuell seien – einschließlich der von der Staatsanwaltschaft Düsseldorf übernommenen Verfahren – ca. 880 Beschuldigte in Köln erfasst.
Für den Geschäftsbereich des Ministeriums der Finanzen gelte: Seit April 2019 habe sich die Zahl der Personen, die ständig mit der Bearbeitung der Cum-Ex-Fälle befasst war, auf 23 erhöht. Ferner plane die Oberfinanzdirektion NRW die Errichtung weiterer Stellen, die bei der o.g. Zahl von 23 Personen noch nicht mit eingerechnet sind. Das Ministerium der Justiz verweist darauf, dass der Leitende Oberstaatsanwalt in Düsseldorf am 29.5.2020 auf zwei Staatsanwälte und einen Wirtschaftsreferenten als Bearbeiter hingewiesen habe. Der Leitende Oberstaatsanwalt in Köln soll zum Personaleinsatz mitgeteilt haben, dass im März 2019 eine Abteilungsleiterin, vier Dezernenten und ein Wirtschaftsreferent ausschließlich mit Cum-Ex-Ermittlungen befasst gewesen sind. Aktuell sollen neben der Abteilungsleiterin acht Staatsanwälte und zwei Wirtschaftsreferenten mit Cum-Ex-Ermittlungen befasst sein. Das Ministerium des Innern verweist auf eine „Ermittlungskommission (EK) TAX“ beim LKA NRW, in der sechs Polizeivollzugsbeamte eingesetzt sind.
Seit dem 3.3.2020 sind – so wird weiter ausgeführt – die Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften landesweit bei der Staatsanwaltschaft Köln gebündelt. Das Landeskriminalamt bearbeite ausschließlich Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Köln. Im Geschäftsbereich des Ministeriums der Finanzen seien die Ermittlungsverfahren sämtlich bei dem Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung (STRAFA-FA) Düsseldorf angesiedelt. Auf die Frage, welche Verschiebungen zwischen den Behörden es gegeben hat und welche Gründe es dafür gab, wird ausgeführt, dass es innerhalb des Geschäftsbereichs des Ministeriums der Finanzen in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Köln in 2018 zu einer ersten Bündelung in der Ermittlungskommission (EK) „STOP“ unter Federführung des STRAFA-FA Wuppertal kam. Ende 2019 seien wiederum in enger Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Köln die mit den Cum-Ex-Fällen befassten Steuerfahnder in eine einheitliche EK, die in dem STRAFA-FA Düsseldorf angesiedelt ist, überführt worden. Aufgrund des Sachzusammenhanges und der engen räumlichen Nähe zwischen den Mitarbeitern der Ermittlungskommission des STRAFA-FA Düsseldorf und der beim LKA NRW geführten Ermittlungskommission TAX sei eine bedarfsgerechte gegenseitige temporäre Unterstützung und ein intensiver Informationsaustausch zwischen beiden Ressorts gegeben.
Das Ministerium der Justiz berichtet: „Mit Erlass vom 3.3.2020 ist der Leitende Oberstaatsanwalt in Köln beauftragt worden, in fünf zu dieser Zeit bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf anhängig gewesenen Verfahren die Amtsverrichtungen der Staatsanwaltschaft wahrzunehmen. Dies beruhte auf einem Bericht des Leitenden Oberstaatsanwalts in Düsseldorf vom 17.02.2020, in dem im Wesentlichen Folgendes ausgeführt worden war: ‚Im Hinblick auf die Belastung der hiesigen Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftsstrafsachen erlaube ich mir, die Prüfung einer Übertragung der Amtsverrichtung der Staatsanwaltschaft auf den Leitenden Oberstaatsanwalt in Köln hinsichtlich der [. . .] bezeichneten Ermittlungsverfahren anzuregen‘. Unter dem 26.02.2020 hatte der Generalstaatsanwalt in Düsseldorf hierzu wie folgt berichtet: ‚Der Anregung des Leitenden Oberstaatsanwalts in Düsseldorf hinsichtlich der bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf geführten fünf Ermittlungsverfahren, die sog. Cum/Ex- Geschäfte zum Gegenstand haben, die Amtsverpflichtungen der Staatsanwaltschaft gemäß § 147 GVG auf den Leitenden Oberstaatsanwalt in Köln zu übertragen, trete ich im Einvernehmen mit dem Generalstaatsanwalt in Köln bei. Die Bündelung sämtlicher in Nordrhein-Westfalen geführter sog. Cum/ Ex-Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Köln, wo bereits jetzt die Mehrheit dieser Ermittlungsverfahren anhängig ist, erscheint auch im Interesse der Vermeidung von Doppelermittlungen und der Sicherstellung eines unmittelbaren und zeitnahen Informationsaustauschs zweckmäßig und zielführend‘.“
Kritisch setzt sich die Landesregierung mit Presseberichten auseinander: „Soweit – u.a. unter Bezugnahme auf einen Pressebericht des Handelsblatts vom 25.05.2020 zu den Cum-Ex-Verfahren – um Erläuterung der Arbeit der Staatsanwaltschaft Köln gebeten worden ist, hat der Leitende Oberstaatsanwalt in Köln nach dem Bericht des Generalstaatsanwalts in Köln vom 29.05.2020 Folgendes mitgeteilt: ‚Das in dem zitierten Presseartikel monierte Verhältnis zwischen der Anzahl der eingesetzten Staatsanwälte/innen und den zu bearbeitenden Verfahren bzw. der Anzahl der Beschuldigten sagt über die Geschwindigkeit der Abarbeitung der Vorgänge nichts aus. Die Verfahrenskomplexe sind völlig unterschiedlich. Sie reichen von Großbanken mit einer Vielzahl von Beschuldigten bis hin zu kleinen GmbHs mit einem oder nur sehr wenigen Beschuldigten, die als Vehikel für Steuerhinterziehung eingesetzt worden waren. Die Tatzeiträume und die Tatbeiträge variieren. Es ist nicht zwingend damit zu rechnen, dass alle Ermittlungsverfahren nur im Wege der Anklageerhebung abgeschlossen werden können. Die Staatsanwaltschaft ist in den anhängigen Cum/ Ex-Verfahren, die sich zunächst immer nur gegen eine juristische Person (z.B. eine Bank) mit im Zeitpunkt der Aufnahme der Ermittlungen unbekannten Beschuldigten richten, vordringlich darum bemüht, die verantwortlich handelnden Personen zu ermitteln und gegen diese den Lauf der Verjährung zu unterbrechen. Diese Ermittlungstätigkeiten haben aktuell Vorrang vor der Fertigung möglichst vieler neuer Anklageschriften. Bei der Abarbeitung der anhängigen Strafverfahren erfolgt eine Priorisierung nach deren Dringlichkeit. Neben beschleunigt zu bearbeitenden Haftsachen – die zukünftig auch anfallen können – wird bei dieser Entscheidung dem jeweiligen Eintritt der Verjährung Rechnung getragen‘. Unter dem 28.05.2020 hat der Leitende Oberstaatsanwalt außerdem Folgendes berichtet: ‚Bei ihren Entscheidungen orientiert sich die Staatsanwaltschaft entsprechend ihrem [. . .] gesetzlichen Auftrag […] an den sachlichen Erfordernissen der Verfahren‘.“
Rechtsanwalt Prof. Dr. Carsten Wegner, Berlin