Aus wistra 2/2021
Der Bundestag soll nach einem dort eingebrachten Antrag feststellen, dass Wirtschaftskriminalität viele Formen kennt, die von Missbrauch oder Diebstahl von Daten über Korruptionsfälle bis hin zu Manipulationen bei der Rechnungslegung reichen. Das Risiko, dass Straftaten aus Unternehmen heraus begangen werden, wachse mit der Größe eines Unternehmens sowie mit der zunehmenden Komplexität von Strukturen und Abläufen. Die Folgen für den Ruf des Unternehmens und die dadurch verursachten Schäden seien dabei immens. Auch wenn ein absoluter Schutz vor wirtschaftskriminellen Handlungen nicht garantiert werden könne, sei ein ganzheitlicher Ansatz, der umfassende Präventionsmaßnahmen umfasst, von wesentlicher Bedeutung. Leitbild der Antragsteller sei die unternehmerische Eigenverantwortung für eine wirksame Selbstkontrolle und den Selbstschutz vor kriminellem Handeln in Unternehmen (BT-Drucks. 19/24384).
Der Bundestag solle die Bundesregierung auffordern, die Corporate Governance in Unternehmen von öffentlichem Interesse effektiv zu stärken, und hierzu (Hervorhebungen vom Verf.).
„1. Unabhängigkeit, Kontrollrechte und Expertise der Aufsichtsräte in Unternehmen von öffentlichem Interesse zu stärken, insbesondere
- festzulegen, dass sich die Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder nicht nur an der Unternehmensgröße, sondern auch an Komplexität, Wachstumsdynamik und Risikogehalt des Geschäftsmodells orientieren muss;
- festzulegen, dass neben dem sog. Finanzexperten mindestens ein Aufsichtsratsmitglied über umfangreiche Erfahrungen im Bereich Risikomanagement verfügen muss und die Namen der Aufsichtsratsmitglieder zu veröffentlichen, die diese Kompetenzen innehaben;
- dem Aufsichtsrat eine eigene Budgethoheit für die Bestellung des Abschlussprüfers einzuräumen;
- die Einrichtung eines Prüfungsausschusses in Unternehmen öffentlichen Interesses gemäß § 319a Abs. 1 HGB verpflichtend zu machen;
- zu prüfen, welche weiteren Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Codex für Unternehmen von öffentlichem Interesse zu Pflichten zu erheben sind, etwa im Hinblick auf die Frist zur Veröffentlichung des Konzernabschlusses und Konzernlageberichts binnen 90 Tagen nach Geschäftsjahresende oder im Hinblick auf die Sicherstellung ausreichender Zeit und Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder durch Begrenzung der Zahl der zulässigen Aufsichtsratsmandate;
2. die Transparenz gegenüber der Hauptversammlung und Anlegern und deren Kontrollrechte zu erhöhen, und hierzu insbesondere
- den Vorstand zur Verabschiedung eines Compliance Management Systems und zur Offenlegung der Maßnahmen zur Betrugsprävention zu verpflichten und die Abschlussprüfer zu verpflichten, in ihren Bericht die Prüfung dieses Systems auf Angemessenheit und Wirksamkeit sowie eine Darlegung der hierbei vorgenommenen Prüfungsschritte aufzunehmen;
- den Vorstand zu verpflichten eine durch den Aufsichtsrat zu prüfende, explizite Aussage zur Unternehmensfortführung abzugeben und zu veröffentlichen;
- Auskunftsrechte der Anteilseigner gegenüber den Abschlussprüfern zu konstituieren und die Möglichkeit zu schaffen, dass eine unabhängige forensische Untersuchung der Finanzberichterstattung oder Teile hiervon auf Antrag einer gewissen Anzahl von Anteilseigner durchgeführt wird;
- die Errichtung von Hinweisgebersystemen, die Aufsichtsgremien, Aufsichtsräte und Gesellschafterversammlung erreichen, verpflichtend zu machen, um Rechtsverstöße der Geschäftsführung aufzudecken;
3. die Anreizstruktur des Managements zu verbessern und hierzu in gemeinschaftsrechtskonformer Weise zu regeln, dass sich die Bezüge der Vorstandsmitglieder stärker am langfristigen und nachhaltigen Erfolg des Unternehmens orientieren sowie angemessene Eigenanteile für D&O-Versicherungen für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder vorzuschreiben.“
Rechtsanwalt Prof. Dr. Carsten Wegner, Berlin